Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut Bundesamt für Statistik verlieren die römisch-katholische, noch stärker die evangelisch-reformierten Kirchen in der Schweiz von Jahr zu Jahr mehr Mitglieder.
Wohin diese gehen, verraten Zahlen: Nur wenige Austretende schliessen sich anderen Glaubensgemeinschaften an, die meisten werden konfessionslos.
Bedeutet dies, dass die Zahl der Atheisten stark zunimmt?
Individuellere Religiosität
Religionswissenschaftler gehen davon aus, dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung heute nicht weniger, aber anders gläubig ist als noch vor einigen Jahren.
Sie lebt ihre Religiosität unverbindlicher, individueller und weniger institutionengebunden. Viele verzichten auf regelmässige Kirchenbesuche.
Mehr Konkurrenz
Gleichzeitig drängen unverbindliche Angebote in ein zunehmend offenes Feld. Man kann heute einen Buddha im Wintergarten und ein Kreuz um den Hals tragen, ohne an eine Religionsgemeinschaft gebunden zu sein.
Man kann an Engel oder an ein Leben nach dem Tod glauben und überzeugt sein, dass es Personen gibt, die übernatürliche Kräfte besitzen.
Hochzeitszeremonien finden in Vorgärten von Hotelkomplexen oder in hippen Eventlokalen statt, Bestattungen in neutralen Abdankungshallen oder im Wald.
Umkämpfter Markt der Religionen
Auf dem bunten und zunehmend umkämpften Markt der Religionen verlieren etablierte Gemeinschaften ihre Mitglieder an unterschiedlichste Anbieter. Zu diesen zählt auch der Atheismus.
Die Freidenker-Vereinigung versteht sich als Stimme der Konfessionsfreien und setzt sich für ein humanistisch aufgeklärtes Weltbild ohne Religion ein.
Viele Agnostiker, viele Konfessionslose
Freidenker sind überzeugt, dass man auch ohne religiöses Bekenntnis ethische Grundwerte vertreten kann. Für Feiern zu grossen Lebensereignissen gibt es heute weltliche RitualbegleiterInnen, die ohne Verweis auf Gott auskommen.
Wer sich offen zum Atheismus bekennt, sagt: «Ich bin Atheist und glaube nicht an Gott.» Doch dazu sind viele in der Statistik erfassten Personen nicht bereit.
Sie verlieren sich in der Sammelkategorie der Konfessionslosen und bezeichnen sich zum Beispiel als Agnostiker.
Nicht auf Religiosität verzichten
Die pauschale Annahme, dass die Religion in der Schweiz generell an Bedeutung verliert, ist trügerisch. Wer aus einer religiösen Gemeinschaft austritt, verzichtet nicht immer ganz auf Religiosität.
Konfessionslose sind nicht zwingend Atheisten. Klar ist nur, dass die austretende Person nicht weiter bereit ist, eine staatlich anerkannte Kirche mit ihren Steuern zu unterstützen.