Nach über drei Jahrzehnten in Berlin zieht es den Berner Visagisten Beni Durrer und seinen Partner René Durrer-Lehmann zurück in die Schweiz. Die einstige Freiheit in der Hauptstadt weicht zunehmend einem Gefühl der Unsicherheit. Gewalt, Pöbeleien, wirtschaftlicher Druck – Gründe für den Neuanfang gibt es viele.
«Das ist nicht mehr mein Berlin»
«Das Paradies, das ich hier habe, ist seit Jahren keins mehr», sagt Beni Durrer. Vor einer Woche wurde auf der Strasse vor ihrer Wohnung ein Mann erschossen. Zwei Banden hatten Streit, es fiel ein Schuss und ein vorbeifahrender Radfahrer wurde getroffen. «Das ist doch nicht normal», sagt Beni Durrer.
Sein Partner René, der in Berlin aufgewachsen ist, erlebt auch Anfeindungen: «Wenn ich rausgehe, hört man Sprüche wie ‹Hey, du schwule Sau› oder ‹ich stech dich ab.›» In Berlin-Mitte, einst ihr Rückzugsort, fühlen sie sich nicht mehr sicher. «Das ist nicht mehr mein Berlin. Das ist nicht das Berlin, in dem ich gross wurde», erzählt René.
Berlin bedeutet für Beni einst Befreiung, er konnte in der Hauptstadt aufatmen und aufblühen. Mit 16 outet er sich in der Schweiz – und wird von seinen Eltern abgelehnt. «Sie sagen, ich könne mein Zeug packen und gehen. Ich sei nicht mehr ihr Sohn.»
Beni zieht aus und findet vorübergehend Unterschlupf im Hotel seiner Lehrstelle. «Es war ein Albtraum», sagt er rückblickend. Doch anstatt sich zu verstecken, entscheidet er sich, sein Leben offen zu leben – und mit sich selbst im Reinen zu sein. Er will nichts verheimlichen, keine Lüge leben. Den Kontakt zum Vater bricht er ab, auch der zur Mutter versickert Jahre später, als er nach Berlin zieht, endgültig. Trotz der schwierigen Geschichte zur Schweiz will er zusammen mit René zurück in seine Heimat.
Die Klavierfabrik in Berlin-Mitte
Beni und René führen in Berlin ein erfolgreiches Beauty-Business in einer alten Klavierfabrik. Oben wohnen sie, unten arbeiten sie – bis zu 14 Stunden täglich. Die Berliner Altbauwohnung von Beni und René ist ein stilvoller Rückzugsort, den sie mit viel Herzblut und über 100’000 Euro Eigenleistung renoviert haben.
«Das ist die schönste Wohnung, die ich je in Berlin hatte, und ich hänge sehr an ihr», sagt Beni. Doch draussen verändert sich das Viertel – und nicht zum Guten. «Das Leben spielt sich ja nicht nur in diesen vier Wänden ab – und genau das wird immer schwieriger», so der gebürtige Berliner.
Zudem wird das Haus saniert, danach verdoppelt sich der Mietzins. «Dann stossen wir an unsere Grenzen», sagt Beni. Gleichzeitig brechen die Umsätze ein. Das Geschäft ist Benis Existenz, seine Rente, deshalb wagen sie den Schritt in die Schweiz.
Auf der Suche nach einem neuen Zuhause
Die Schweiz soll ein Neuanfang werden. Sie sind überzeugt, dass die Lebensqualität besser sei und es mehr Respekt und Wertschätzung für Mitmenschen gäbe. Gesucht ist nun ein Ort mit Charakter – Fabrik, Villa oder Loft – mit Platz für Leben und Arbeit. In Sursee und Zofingen besichtigen sie vielversprechende Objekte.
«Wir brauchen 200 bis 300 Quadratmeter – das klingt grosskotzig, aber wir arbeiten viel», so Beni. Zusätzlich brauchen sie nochmals mehrere Hundert Quadratmeter für ihr Geschäft. Ob sie – wie in Berlin – Wohnen und Arbeiten wieder unter einem Dach vereinen können, ist noch unklar.
Die Suche gestaltet sich schwierig, aber die Hoffnung bleibt. «Ich denke positiv», sagt Beni. Und René fügt lachend hinzu: «Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir sind nicht mehr taufrisch.»