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SRF zu Besuch in Martin Woodtlis Pflegeheim in Chiang Mai
Aus Ding Dong vom 10.02.2024.
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Von Münsingen nach Chiang Mai Schweizer baut Pflegedorf in Thailand: «Es war ein Experiment»

Martin Woodtli traf 2003 die Entscheidung: Er zog mit seiner an Alzheimer erkrankten Mutter von Münsingen (BE) nach Thailand.

Martin Woodtli ist heute 63 Jahre alt. Vor über 20 Jahren, nämlich 2003, gründete er das Pflegeheim «Baan Kamlanchay» in Chiang Mai, Thailand. Doch wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Tat?

Eine gerahmtes Bild einer älteren Frau mit Strohhut.
Legende: Mutter Margrit Woodtli gilt als Pionierin des Pflegedorfs. SRF

Woodtli selbst sagt: «Es war ein Experiment.» Als sein Vater sich das Leben nahm, zog er zurück in das Elternhaus in Münsingen (BE), um sich um seine Mutter zu kümmern.

Nach neun Monaten zu Hause wagte er es: Er reiste mit seiner Mutter Margrit Woodtli nach Thailand. Dort wollte Martin thailändische Betreuerinnen anstellen und wieder als Sozialarbeiter für eine Organisation tätig werden.

Ein Mann mit blauen Hemd.
Legende: Martin Woodtli hat mit «Baan Kamlanchay» seine Lebensaufgabe gefunden. SRF

Auf die Frage, ob er sich bewusst gewesen sei, dass er eine an Alzheimer erkrankte Person aus ihrer gewohnten Umgebung herausnehme, antwortet Woodtli: «Ich war unsicher am Anfang und viele sagten mir, dass es gefährlich sei, eine Person, die sich an Erinnerungen klammert, zu entwurzeln. Ich dachte mir aber, dass es genau das Gegenteil bewirken könne: Eine heilsame Veränderung.»

Weshalb ging es nach Thailand?

Martin Woodtli kannte Thailand bereits: Er arbeitete vier Jahre lang als Sozialarbeiter für Médecins Sans Frontières in Chiang Mai. Er konnte deshalb abschätzen, was auf ihn zukommt. Zudem wusste Martin, dass er dort mit weniger Geld mehr Betreuung für seine Mutter erhält.

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Archiv: Margrit Woodtli war noch im hohen Alter aktiv
Aus DOK vom 14.12.2006.
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Martin bildete die drei Betreuenden seiner Mutter aus und mit der Zeit entstand eine Wohngemeinschaft, die zur Familie wurde für die Woodtlis.

Der DOK-Film über Margrit Woodtli und ihren Sohn

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Im Juni 2003 begann der Filmemacher Christoph Müller, die Reise Woodtlis mit der Kamera zu begleiten. Der Dokumentarfilm von 2006 gibt es auf Play SRF.

Die aktuelle Sendung «Ding Dong Spezial – Thailand» finden Sie hier.

20 Jahre später

Die Erfahrungen, die Martin mit seiner Mutter in Thailand gemacht hat, waren so eindrücklich, dass er das Angebot auch für andere Demenz- und Alzheimerkranke Menschen ausweiten wollte. Heute leben 14 solcher Gäste in verschiedenen Häusern im gleichen Dorf. Die meisten davon sind aus der Schweiz oder aus Deutschland.

Im kleinen Dorf von Faham gibt es Treffpunkte wie einen Gemeinschaftspool, einen kleinen Supermarkt und eine Terrasse, wo Frühstück, Mittag- und Abendessen serviert wird. «Immer in Begleitung von Betreuerinnen – sie haben alle drei, die im Schichtbetrieb auf sie aufpassen», erklärt Martin.

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«Brunna ist unser Sonnenschein im Dorf»
Aus Ding Dong vom 10.02.2024.
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«Sie sprechen nicht dieselbe Sprache»

Dass die Gäste und ihre Betreuerinnen dieselbe Sprache sprechen, findet Martin Woodtli «nicht nötig». Auch bei seiner Mutter damals. Gewisse Unstimmigkeiten entstanden gar nicht erst, wenn sie einander nicht verstehen würden. 2003 sagte Martin, «ich bin permanent der Versuchung ausgesetzt (auf meine Mutter) zu reagieren und zu argumentieren». Zärtlichkeit und Blickkontakt seien wichtiger.

Ein Angehöriger eines Gastes erzählt, dass sein Vater in Chiang Mai sich sehr geöffnet habe. Er erzählt weiter, dass die Betreuung besser sei als in Deutschland für denselben Preis. Pro Monat kostet der Aufenthalt und die Betreuung in Woodtlis «Baan Kamlanchay» 3800 Franken.

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«Es ist nicht so kalt wie im Thunersee, gell?»
Aus Ding Dong vom 10.02.2024.
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Für Martin Woodtli sticht sein Nischenangebot preislich gar nicht gross raus. Mit den Betreuungskosten und den Reisekosten, die anfallen, müssen die Angehörigen viel auf sich nehmen, um ihre Angehörigen in Chiang Mai zu platzieren. Der Grund sei, dass die Demenz- und Alzheimer-Patienten hier nicht in einem Heim leben, sondern in eine familiäre und dörfliche Gemeinschaft eingebettet würden.

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«Es ist kein Heim»
Aus Ding Dong vom 10.02.2024.
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Seine Vision wäre es, auch in Europa mehr familiäre Betreuungsmodelle zu implementieren, weil man im Hinblick auf die Überalterung der Gesellschaft die Betreuung irgendwann auch nicht mehr finanzieren könne.

SRF 1, Ding Dong Spezial – Thailand, 10.2.2024, 20:10 Uhr;

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