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Winterhüttengeschichten Wieso führt man allein eine Berghütte?

Hüttenwartin Caroline Beley über Einsamkeit, wenig Lohn und warum man für diesen Job idealistisch sein muss.

Zeit für ein Gespräch hat Caroline Beley, weil sie eingeschneit ist in der Mittlenberghütte (VS). «Draussen tobt ein Sturm», erzählt die 58-Jährige. Seit fünf Jahren führt sie die Hütte allein. Ist das Wetter schlecht, kommt manchmal tagelang niemand vorbei. Im Interview spricht sie darüber, warum sie das nicht stört, wieso sie die Hütte allein führt und warum man für diesen Job idealistisch sein muss.

Caroline Beley

Hüttenwartin

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Caroline Beley (58) arbeitete schon immer in der Gastronomie – früher verteilt über die ganze Schweiz, jeweils für eine Saison. Dazwischen reiste sie viel.

Als Hüttenwartin sesshaft wurde sie mehr durch Zufall: Auf einer Wanderung als Gast in der Capanna Corno-Gries (CAS) half sie der damaligen Wartin ein wenig. Und da wusste Caroline: «Das ist es! Das will ich machen». Nach Hause ging sie nur noch, um ihre Sachen zu holen. Von da an arbeitete sie sechs Jahre lang in der Hütte. Danach ging sie eine Saison lang in Obwalden Käsen und seit Sommer 2019 führt sie die Mittlenberghütte (VS).

SRF: Wie geht man mit dieser Einsamkeit um?

Caroline Beley: Es kommt immer darauf an, wie diese Einsamkeit entsteht. Meist geht es gut. Wenn nicht, hilft arbeiten.

Wem würdest du so ein solches Leben empfehlen?

Nicht vielen Leuten. Du musst einiges mitbringen: technisches Verständnis, Computerkenntnisse. Du musst putzen, kochen, anpacken können und körperlich fit sein. Zusätzlich sollte man ziemlich idealistisch sein; es ist viel Arbeit für wenig Geld. Aber das ist mir egal. Um das Geld, das ich hier oben verdiene, ausgeben zu können, fehlt mir schlichtweg die Zeit. Das geht aber auch nur, weil ich mit meinem Partner zusammenwohne.

Belastet die lange Abwesenheit im Jahr deine Beziehung?

Im Gegenteil, es belebt sie. Man sieht sich zwar nicht, hat aber per Handy Kontakt. Dafür geniesse ich die Zeit, die wir zusammen verbringen, in vollen Zügen und wir haben uns jeweils viel zu erzählen, bis ich wieder hinaufgehe. Ich weiss nicht, ob ich es aushalten würde, wenn ich immer unten wäre. Dann wäre es mir vielleicht zu eng.

In der kleinen Hütte ist es dir nicht zu eng?

Nein, den Gastraum sehe ich als mein Wohnzimmer. Dadurch habe ich auch mehr Kontakt zu den Gästen.

Ich bin ein totaler ‹Lebemensch›.
Autor: Caroline Beley Hüttenwartin «Mittlenberghütte»

Ich sage immer: Die Leute kommen als Gast und gehen als Freunde. Ich bin ein totaler «Lebemensch». Lache gerne, habe unglaublich viel Energie, bin gerne unterwegs, bin unkompliziert und mag die Menschen. Und falls es mir dann doch mal zu eng werden sollte, ziehe ich mich zurück. Dann erlaube ich mir, auch mal am Computer zu sein, ein Kreuzworträtsel zu lösen, zu meditieren oder Yoga zu praktizieren.

Du sagst, du hast unglaublich viel Energie. Das braucht man wahrscheinlich, um eine Hütte allein zu führen.

Das ist sicher so. Strom habe ich von den Solarpanels auf dem Dach und vom Windrad. Wasser im Sommer von einem Brunnen; im Winter ist dieser gefroren. Dann schaufle ich Schnee aufs Dach und stelle eine Pfanne unter die Rinne, welche das Schmelzwasser auffängt. Wenn ich die Hütte voll habe, brauche ich zwischen 80 und 100 Liter im Tag. Das sind zehn Pfannen zu je zehn Litern. An die Kanalisation angeschlossen sind wir auch nicht. Heisst, die Toilette muss auch regelmässig entleert werden.

Wieso machst du das alles allein?

Die Hütte war für eine Person ausgeschrieben und die Arbeit für 18 Betten ist für mich machbar. Plus, ich liebe es, hier zu sein. Vielleicht kann man das nicht nachvollziehen, aber ich bin viel draussen, spüre gerne jede Art von Wetter. Hier ist mein Kraftort, der mir wahnsinnig viel gibt.

Das Gespräch führte Sina Alpiger.

SRF1, 13.05.2024, 05:10 Uhr ; 

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