Zum Inhalt springen

Der Dopingfall Walijewa Wada kritisiert TAS – Russen frohlocken

Die Starterlaubnis für die unter Dopingverdacht stehende russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa hat gemischte Reaktionen hervorgerufen.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada kritisiert den Sportgerichtshof TAS und die russische Anti-Doping-Agentur Rusada harsch. Die Wada zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung der Ad-hoc-Abteilung des TAS, die 15-jährige Eiskunstläuferin Kamila Walijewa am Einzelwettkampf starten zu lassen.

«Das TAS-Panel scheint beschlossen zu haben, die Bestimmungen des Codes nicht anzuwenden, die keine spezifischen Ausnahmen in Bezug auf obligatorische vorläufige Suspendierungen für ‹geschützte Personen›, einschliesslich Minderjähriger, zulassen.»

In dieser Geschichte gibt es nur Verlierer.
Autor: Ernst König Direktor von Swiss Sport Integrity

Die Wada wirft zudem der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada schwere Fehler beim Umgang mit dem Dopingfall vor. Nach der Wada vorliegenden Informationen sei die Probe in diesem Fall von der Rusada nicht als Prioritätsprobe gekennzeichnet worden, als sie beim Anti-Doping-Labor in Stockholm einging. Dies bedeute, dass das Labor nicht wusste, dass es die Analyse dieser Probe beschleunigen sollte.

Ernst König, Direktor von Swiss Sport Integrity (ehemals Antidoping Schweiz), zeigt sich erstaunt über den TAS-Entscheid. Es handle sich aber nicht um ein definitives Urteil. «Wenn sich eine Sanktion ergibt, dann werden sämtliche Resultate im Zeitraum nach der Dopingprobe annulliert, was auch die Goldmedaille im Team-Wettkampf und allenfalls im Einzel umfasst», erklärt König.

Man muss annehmen, dass sie nicht selbst gedopt hat, sondern gedopt wurde.
Autor: Hajo Seppelt Doping-Experte

Dass der «Code 21» Minderjährige und Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung schütze, begrüsst er grundsätzlich. Allerdings bestehe natürlich ein «gewisses Missbrauchspotenzial». Gemäss König hätte es gar nicht so weit kommen dürfen: «In der aktuellen Situation gibt es nur noch Verlierer, egal auf welche Seite der Entscheid gefallen wäre.»

Das Mindestalter an Olympia müsse man nicht nur im Eiskunstlauf-Sport diskutieren, fordert er. «Man darf sich hier die Frage stellen, inwiefern eine 15-jährige Sportlerin selbst eine Doping-Substanz erwerben und sich verabreichen kann oder Hilfe von einer Bezugsperson erhalten hat», wirft König ein.

Der deutsche Dopingexperte Hajo Seppelt sagt: «Es ist eine schallende Ohrfeige für das Anti-Doping-System, aber auf der anderen Seite ist die Entscheidung richtig. Es lastet ein unfassbarer Druck auf dem Kind, das muss man sich mal vorstellen. Man muss annehmen, dass sie nicht selbst gedopt hat, sondern gedopt wurde. Sie weiss wahrscheinlich gar nicht, was Trimetazidin ist.»

Russen feuern Walijewa an

In Russland ist die weitere Olympia-Starterlaubnis für Walijewa mit grosser Erleichterung aufgenommen worden. «Morgen feuert das ganze Land sie und alle unsere wunderbaren Eiskunstläuferinnen an», schrieb das Russische Olympische Komitee (ROC) am Montag mit Blick auf den am Dienstag beginnenden Einzel-Wettkampf. Auch der russische Eistänzer Nikita Kazalapow munterte die 15-Jährige in Peking auf. «Auf geht's, Kamila!», sagte Kazalapow nach dem Gewinn der Silbermedaille mit seiner Partnerin Wiktoria Sinizina.

Hochhaus mit Bildschirm von Walijewa
Legende: Viel Support in der Heimat Walijewa auf einem Bildschirm einer Hotelfassade in Moskau. Der Schriftzug: «Kamila, wir sind mit dir!» imago images

Der Präsident des russischen Eiskunstlaufverbandes, Alexander Gorschkow, sagte der Staatsagentur Ria Nowosti : «Das Einzige, was man hier sagen kann, ist, dass der gesunde Menschenverstand und die Gerechtigkeit gesiegt haben.»

Es bleibe aber abzuwarten, wie es nun weitergehe. Über eine mögliche Neuvergabe der Medaillen für den Team-Wettbewerb oder weitere Konsequenzen für Walijewa und ihr Begleitpersonal haben die TAS-Richter nämlich noch nicht entschieden. Im russischen Staatsfernsehen war dennoch die Rede davon, Walijewa sei «freigesprochen» worden.

Matthieu Reeb, Generaldirektor des TAS, am Montag in Peking.
Legende: Sein Gericht erntet in der Causa «Walijewa» Kritik Matthieu Reeb, Generaldirektor des TAS, am Montag in Peking. Reuters

SRF zwei, sportlive, 14.02.2022, 10:50 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel