Als Gaëtan Haas Ende Oktober in Edmontons Farmteam versetzt wurde, traf ihn der Entscheid nicht aus heiterem Himmel. Doch die Reise zu den Condors nach Bakersfield verkam zu einem Kurztrip. Weil sich Teamkollege Josh Archibald verletzte, stand Haas' Name schon nach 2 Partien und ebenso vielen Assists in der AHL wieder im Oilers-Roster.
In Bakersfield fand ich zu meinem Spiel.
Rückblickend kann der Jurassier jener vorübergehenden Degradierung nur Positives abgewinnen: «Es tat mir gut, in die AHL zu gehen. In Bakersfield fand ich zu meinem Spiel und konnte Selbstvertrauen tanken.» War das Tempo in der NHL zu Beginn noch zu hoch, fühle er sich nun mit jedem Tag besser. Man könnte also sagen, Haas lernte bei den Kondoren zu fliegen.
Nachlassen liegt indes nicht drin. Noch immer muss der Center um seinen Platz im Team fighten. Kein ganz neues Gefühl, auch wenn er vor seinem Wechsel beim SCB zu den Leistungsträgern gehörte. «Als ich jünger war, musste ich auch immer kämpfen. Es ist eine Art ‹zurück in die Schule›», erklärt Haas. Das simple Rezept: «Immer Vollgas geben, immer versuchen, im Spiel zu bleiben, jeden Shift zu nutzen.» Und: «Nicht zu viel darüber nachdenken.»
Das erste Tor – und keiner merkte es
Hinter den Traum, in der NHL zum Einsatz zu kommen, konnte Haas am 2. Oktober einen Haken setzen. Einen Monat später erzielte er gegen San Jose sein Premierentor. Kurioserweise bejubelten seine Teamkollegen den falschen Spieler. «Es war komisch. Ich musste fast alleine in der Ecke jubeln. Am Ende bekam ich das Tor zugesprochen», schmunzelt Haas. 4 Tage später doppelte er gegen New Jersey nach. Diesmal feierten die Oilers den richtigen Akteur.
Nach 13 NHL-Partien in den Knochen zieht Haas ein positives Fazit. Er sei auf gutem Weg. Sowieso sei alles, was er jetzt erlebe «ein Riesenbonus». Der 27-Jährige ortet in seinem Spiel gleichzeitig Verbesserungspotenzial: «Defensiv stehe ich solid, gegen vorne habe ich noch Luft nach oben.» Die Zahl von 3 Skorerpunkten soll sich erhöhen.
McDavid, Draisaitl, Seguin und Kane: Die sind noch eine Stufe höher als wir.
In Edmonton darf Haas Seite an Seite mit den Superstars Connor McDavid und Leon Draisaitl wirken. Er nennt es «eine Ehre», man könne jeden Tag vom Duo lernen. Der Kanadier sei ein ruhiger Typ, der aber stets die richtigen Worte finde. Er sei, wie Draisaitl, als Mensch wie als Sportler «super». Den gesprächigeren Deutschen schätzt Haas auch in linguistischer Hinsicht: «Dank unseren Unterhaltungen vergesse ich mein Schweizerdeutsch nicht.»
Patrick Kane und Tyler Seguin, auf die Haas in der Lockout-Season 2012/13 bei Biel traf, seien von ähnlichem Kaliber. Das Quartett sei «noch eine Stufe höher» als die meisten anderen NHL-Spieler.
Heim-WM? Nein, danke
Was muss in den nächsten Monaten geschehen, damit Haas sein Premierenjahr in der besten Eishockey-Liga der Welt als gelungen bezeichnet? Die Playoffs sollen erreicht werden. Sie sind auch der (gute) Grund, weshalb der Schweizer Nationalspieler gerne die Heim-WM verpassen würde: «Wenn wir die Playoffs erreichen, hoffe ich, dass ich nicht an der WM spiele», schildert er seine Prioritäten. Dies, wenngleich er als Ziel der Nati die Goldmedaille nennt.
Haas träumt vom Stanley Cup statt vom WM-Pokal. Und von neuen Höhenflügen in der NHL. Dass er dabei abhebt, ist kaum vorstellbar.
Sendebezug: SRF 3, Morgenbulletin, 9.11.2019, 7 Uhr