Während der Playoffs macht er sich jeweils rar, seit seiner Zeit unter Arno Del Curto beim HC Davos gibt Leonardo Genoni in der entscheidenden Phase der Meisterschaft keine Interviews. Warum sollte er auch? Siebenmal schon mündete diese Eigenheit im Meistertitel. Vor der Abreise an die WM nimmt sich der Goalie des EV Zug hingegen viel Zeit für ein Gespräch.
Zeit hatte er in den letzten Wochen sowieso mehr als genug. Erstmals seit 2014 war für Genoni in der National League schon nach den Viertelfinals Schluss. Um die Enttäuschung nach dem frühen Aus zu überwinden, kam der erwartete Anruf von Patrick Fischer wie gerufen. Nach ein paar Eistrainings mit 8 Spielern (und einem Goalietrainer) in Zug rückte Genoni bereits in der ersten Vorbereitungswoche ins Nationalmannschaftscamp ein.
Immer konstant unter den Top-3-Goalies
Auch mit 37 Jahren ist die Motivation des Goalies aus Kilchberg am Zürichsee, welcher der Nachwuchsabteilung der ZSC Lions entstammt, jedoch nie für die «Löwen» bei den Profis gespielt hat, ungebrochen. Er wird am Freitag in Dänemark seine 11. WM in Angriff nehmen, die 8. in Folge.
Genoni freut sich über das erneute Vertrauen des Nationaltrainers. «Es zeigt, dass ich über einen langen Zeitraum immer zu den Top-3-Goalies gehört habe», zeigt er sich durchaus stolz über seine Konstanz. Im vergangenen Jahr spielte Genoni auf dem Weg zur Silbermedaille in Prag seine wohl beste WM und war in allen K.o.-Runden unangefochten gesetzt.
So dürfte er bei den jeweiligen Kaderschnitten kaum gezittert haben, auch wenn er sich bescheiden gibt. «Man muss sich immer erst wieder beweisen.» In der Vergangenheit war er oft erst spät zur Nationalmannschaft gestossen und mit dem Boost eines Meistertitels, wie er sagt.
Die restlichen Playoffs nach dem klaren Ausscheiden im Viertelfinal gegen Davos hat sich Genoni im Übrigen nicht mehr angeschaut. «Ich schaue nicht gerne Eishockey», verrät er mit einem verschmitzten Lächeln. «Ich schaue halt anders, schaue viel auf die Goalies, sehe Fehler und gute Aktionen.» Und wenn er im Stadion wäre, würde er sowieso spielen wollen.
In der langen Vorbereitung sieht Genoni durchaus auch Vorteile. «Ich hatte jetzt mehr Spiele auf internationalem Niveau», sagt der Vater dreier Kinder. Und er hatte Zeit, manche Teamkollegen näher kennenzulernen, auch wenn diese immer wieder mal wechselten.
Einer von denen, die geblieben sind, ist Stéphane Charlin. Der 24-jährige Genfer ist der Aufsteiger der Saison und war im Tor der SCL Tigers massgeblich für die Playoff-Qualifikation der Emmentaler verantwortlich.
Beeindruckt von Charlin
Genoni bestritt wegen einer Verletzung erst am 23. November seine erste Partie in der abgelaufenen Meisterschaft, auch deshalb fehlte er bei den bisherigen Nationalmannschaftsterminen in dieser Saison. So ist er erstmals zusammen mit Charlin im gleichen Team.
Er ist tief beeindruckt vom 1,93 m grossen Hünen. «Er hat eine unglaubliche Saison gespielt und ich freue mich, zusammen mit ihm auf dem Eis zu stehen und ihn im Training zu beobachten. Ich bin überrascht, wie gut er das macht. Er ist in jedem Training hoch konzentriert und bringt eine unglaubliche Ruhe rein. Da kann man viel abgucken.»
Auch der WM-Debütant Charlin wird sich viel bei Genoni abschauen können und wohl auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Schweiz auf der Goalieposition gut besetzt ist. Vorerst denkt der grosse Meister aber noch nicht daran, Platz zu machen – bei allem Respekt.