Als ich im kanadischen Teamhotel etwas zu früh zum Interview in der Lobby erscheine, sitzt Andy Hüppi bereits tiefenentspannt in einem Sessel. Während wir uns begrüssen, läuft Scott Laughton auf uns zu. Der Philadelphia-Stürmer will von Hüppi wissen, was er gerade treibt. «Ich gebe gleich ein Interview», antwortet der 53-Jährige. Laughton reagiert belustigt: «Was? Interview? Du?», witzelt der NHL-Spieler und klopft Hüppi beim Vorbeigehen auf die Schulter. Die Chemie scheint zu passen.
Kurz darauf erzählt mir Hüppi, dass er mit Ausnahme von 2 bis 3 Spielern sämtliche Akteure des aktuellen kanadischen WM-Kaders vor dem Zusammenzug nicht gekannt habe. «Auch das macht meine Arbeit so speziell. Ich komme ständig mit neuen Leuten in Kontakt», so Hüppi, der an der WM in Riga sein 20-jähriges Jubiläum als Staff-Mitglied von Kanada feiert.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Seine Feuertaufe erlebte der Masseur aus Schmerikon 2002 am Spengler Cup eher zufällig. Hüppi, damals beim SC Rapperswil-Jona engagiert und eigentlich nur als Zuschauer zu Gast in Davos, wurde vom früheren «Rappi»-Kanadier Chris Lindberg auf eine Vakanz im Betreuer-Team von Kanada hingewiesen. «Da bin ich eingesprungen und so fing die ganze Geschichte an», erinnert sich Hüppi. Im Jahr darauf durfte der St. Galler erstmals auch an einer WM dabei sein. Mittlerweile sind es 17 WM-Teilnahmen.
Der Erfolg mit dem Team ist Hüppi zwar wichtig, viel wertvoller sind für ihn aber die unzähligen Abenteuer, die er auf verschiedensten Flecken der Welt mit diversen kanadischen Teams erleben durfte. Und die Bekanntschaften, welche daraus resultierten. Ein Spieler liegt Hüppi besonders am Herzen. Es ist kein Geringerer als Sidney Crosby.
«Was willst du mehr?!»
Als er über den dreifachen Stanley-Cup-Sieger spricht, strahlt Hüppi über das ganze Gesicht. Erstmals kreuzten sich die Wege der beiden an der WM 2006, zufälligerweise auch in Riga. Gemeinsam gewannen sie 2014 Olympia- und 2015 WM-Gold.
Sie würden sich hin und wieder per SMS austauschen, erzählt Hüppi. «Ich kann ihm schreiben und ihn fragen, ob es ok wäre, wenn ich nach Pittsburgh komme und er antwortet mir: ‹Ja klar, ich besorge dir die Matchtickets und ein Hotel.› Was willst du mehr?!», schwärmt der Schweizer.
Ein Versprechen und ein Tipp für die Schweiz
Für die laufende WM hat Crosby abgesagt, obschon er verfügbar gewesen wäre. Viele andere namhafte NHL-Spieler taten es dem Penguins-Star gleich. Dass im aktuellen WM-Kader Kanadas die ganz klingenden Namen fehlen, stört Hüppi gar nicht: Er fände es toll, dass auch junge Talente wie Adam Fantilli eine Chance auf dieser Bühne bekommen würden. Fantilli gilt als Top-3-Kandidat im bevorstehenden NHL-Draft.
Auf das Duell mit seinem Herkunftsland blickt Hüppi mit grosser Vorfreude voraus. «Ich bin bei den Kanadiern angestellt und hoffe, dass wir gewinnen», stellt er klar. «Doch sollte die Schweiz siegen, freue ich mich auch. Dann werde ich nach dem Spiel in die Schweizer Garderobe gehen und ihnen gratulieren», so Hüppi.
Einen Tipp möchte Kanadas Schweizer Masseur seinen Landsmännern noch auf den Weg geben: «Die Nati-Spieler sollen sich vor Milan Lucic hüten. Von ihm will man nicht gecheckt werden.»