Resultate
Der Gesichtsausdruck von Trainer Vicente Del Bosque sprach Bände. In Worten beschreiben konnte der Erfolgscoach die 1:5-Schlappe gegen die Niederlande nur ansatzweise. «Fünf Gegentore, das ist eigentlich unerklärlich», meinte er.
Fünf Gegentore. Das ist nur ein Treffer weniger, als Spanien bei den Europameisterschaften 2008 und 2012 sowie der WM 2010 in 19 Spielen kassiert hatte. Man muss weit zurückblättern, um eine ähnlich hohe Niederlage der Iberer zu finden. 1963 gingen die Spanier in einem Test gegen Schottland im Bernabeu mit 2:6 unter. Bei der WM 1950 unterlag man Gastgeber Brasilien gar mit 1:6.
Mängel hinten wie vorne
Während 6 Jahren dominierte Spanien seine Gegner mit seiner kompakten Mannschaftsleistung. Die Niederlage gegen Holland wollten Trainer und Spieler denn auch als Versagen des Kollektivs interpretiert haben. Offensiv produzierte Spanien vorab nach der Pause wenig, man biss sich an Louis Van Gaals 5-3-2-Formation die Zähne aus. Und hinten waren Innenverteidigung und Torhüter nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe.
Beim 1:1 liess Sergio Ramos seinem Gegenspieler Robin van Persie zuviel Raum, dieser nutzte ihn zu einem herrlichen Flugkopfball über den schlecht postierten Iker Casillas hinweg. Beim 2:1 tänzelte Arjen Robben Gerard Piqué aus und schoss auch an Sergio Ramos vorbei ein. Die Innenverteidigung, das spanische Bollwerk, zerfiel.
Casillas' Patzer
Während Casillas beim 3:1 regelwidrig behindert wurde, musste die spanische Goalie-Ikone den vierten Treffer auf ihre Kappe nehmen. Und auch beim Schlusspunkt machte Casillas keine gute Figur. Er zwang Verteidiger Ramos, der sich im Laufduell mit Robben befand, abzubremsen, was dem niederländischen Stürmer die Möglichkeit eröffnete, zu stoppen und zum 5:1 einzuschiessen.
«Es ist nicht der Zeitpunkt, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen», stellte sich Del Bosque vor seinen Torhüter. Dieser war zuvor während 477 WM-Minuten ohne Gegentor geblieben. «Ich muss mich für unsere Spielweise entschuldigen – für meine insbesondere», erklärte Casillas nach dem Spiel.
Der 33-Jährige ist aber nach einer Saison, in welcher er in Madrid vorab in der Champions League zum Einsatz kam und in deren Final nicht restlos überzeugte, sowie dem Auftritt gegen die Niederlande in Frage gestellt. Mit dem 23-jährigen David de Gea (Manchester United) und dem 31-jährigen Pepe Reina (Napoli) figurieren zwei weitere Weltklasse-Torhüter in Spaniens Kader.
Nächster Gegner heisst Chile
Egal mit welchem Torhüter: Spanien steht am Mittwoch gegen Chile unter grösstem Druck. Vor vier Jahren steckten die Iberer die 0:1-Auftaktniederlage gegen die Schweiz gut weg. Doch die Demontage gegen die Niederlande wirft grössere Fragen auf. «Das Verwirrendste ist, nicht zu wissen, ob es nur eine schlimme Nacht war oder ob es ein schlimmer Sommer wird», schrieb die Sportzeitung AS treffend.