Resultate
Nach dem rauschenden 7:1-Sieg im Halbfinal gegen Brasilien gehörten die Schlagzeilen für einmal Toni Kroos. «Kroossartig», titelte Spiegel online . Seine Leistung wurde mit der Wahl zum Mann der Partie gewürdigt. Die Auszeichnung war verdient: Bei den ersten 4 Toren hatte der 24-Jährige seine Füsse im Spiel gehabt. Zweimal traf er selbst und glänzte als Vorbereiter.
Der Hinweis auf ungewürdigte Leistungen
Beim Blondschopf aus Rostock waren selbst nach dem Final-Einzug keine Anzeichen von Euphorie auszumachen. «Weltmeister ist noch niemand im Halbfinal geworden», kommentierte Kroos trocken. Seine Leistung im 50. Länderspiel bezeichnete er immerhin als «nicht so schlecht» und fügte hinzu: «Ich habe aber auch schon andere gute Spiele gemacht.»
In den Worten schwang Kränkung mit. Der Rostocker erfuhr in seiner Karriere nie besonderes Lob von den Medien, auch bei den Fans gilt er nicht gerade als Publikumsliebling. Dass sein Schuss im WM-Halbfinal 2010 gegen Spanien beim Stand von 0:0 nicht ins Tor ging, wurde ihm nachträglich ebenso vorgehalten wie die Tatsache, dass er 2 Jahre später im verlorenen CL-Final gegen Chelsea keinen Penalty treten wollte und im EM-Halbfinal mit der Bewachung von Andrea Pirlo überfordert war.
Rätsel um den Abschied aus München
Seinem Selbstbewusstsein konnten die öffentlichen Zweifel offenbar nichts anhaben. Kroos, dessen Vertrag bei Bayern München in einem Jahr ausläuft, soll ein gleich hohes Gehalt gefordert haben wie Mario Götze. Da dieser Wunsch nicht erfüllt wurde, wechselt Kroos zu Real Madrid. Zumindest behaupten dies deutsche und spanische Medien übereinstimmend. Der scheidende Bayern-Regisseur darf seine angekündigte Entscheidung aufgrund von FIFA-Bestimmungen aber erst nach dem Turnier bekanntgeben. Während sich deutsche Medien über den bevorstehenden Weggang wundern, blieb der Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken aus.
Der Fall Kroos wirft Fragen auf. Denn Abgänge von deutschen Nationalspielern in ihrer Blütezeit waren bei Rekordmeister Bayern in den letzten Jahren eine Seltenheit. Zumal Kroos das Vertrauen von Coach Pep Guardiola geniesst und für DFB-Trainer Joachim Löw unverzichtbar ist. Fast scheint es so, als wolle er sich emanzipieren und die (finanzielle) Wertschätzung anderswo suchen. Den Weg nach Madrid gingen nach der WM vor 4 Jahren auch seine aktuellen Teamkollegen Mesut Özil und Sami Khedira - mit Erfolg.
Kroos: Präzision statt Glamour
Der Glamour-Faktor Kroos' dürfte kaum der Grund für Reals Bemühungen gewesen sein. Kroos besticht - obwohl mit einer feinen Technik gesegnet - in erster Linie als kühler Denker und Lenker. Mit 519 gespielten Pässen (85 Prozent davon kamen an) weist er den drittbesten Wert aller WM-Akteure auf. Seine Musterzuspiele sind zu seinem Markenzeichen geworden. «Toni bringt die punktgenau», lobt Miroslav Klose. Kroos sorgt für die Präzision im deutschen Team, die Tore schiessen meist andere und ernten den Jubel. Die kürzlich gestellte Frage, ob er sich von der Öffentlichkeit unterbewertet fühle, verneinte Kroos zwar. Ein «Ja» hätte aber niemanden erstaunt.
Sendebezug: SRF zwei, FIFA WM 2014 live, 08.07.14 22.00 Uhr