Offiziell wurde das Tor Romain Saiss gutgeschrieben, doch der Jubel gebührte nach dem sensationellen 2:0-Sieg Marokkos gegen Belgien Abdelhamid Sabiri. Schliesslich war es der perfekt getretene Freistoss des eingewechselten Mittelfeldspielers, der die Weichen für die Nordafrikaner auf Sieg stellte. Sabiris persönliche Feier-Arie dürfte gar noch etwas länger angedauert haben. Einen Tag nach dem 1. WM-Sieg Marokkos seit 1998 feierte er seinen 26. Geburtstag.
Zu seinem Nationalmannschafts-Debüt gelangte Sabiri, der als Dreijähriger aus der Heimat Marokko nach Deutschland migrierte, erst im September dieses Jahres. Reichlich spät für einen Spieler, der fünf Mal für die deutsche U21-Auswahl auflief und als hochtalentiert galt.
Streitbarer Ruf in Deutschland
Mit der deutschen Presse wollte der neue marokkanische Fussballheld nach dem Triumph über Belgien dennoch nicht sprechen. In seiner zweiten Heimat geniesst Sabiri nämlich nicht den besten Ruf. Als er 2017 bei Nürnberg den Durchbruch bei den Profis geschafft hatte, sah er sich nach nur neun absolvierten Partien zu Höherem berufen. Seinen Wechsel zu Huddersfield Town erzwang er, indem er sich mehrfach für das Training krankschreiben liess.
Nachdem sich Sabiri in England nicht hatte durchsetzen können, verlief auch sein zweites Engagement in Deutschland nicht ohne Nebengeräusche. Steffen Baumgart, sein damaliger Trainer bei Paderborn, wähnte ihn auf dem Egotrip: «Er arbeitet für keine Mannschaft, er arbeitet nur für sich.»
Ein Duell mit Deutschland winkt
Millionen Marokkaner sind seit Sonntag anderer Meinung. Gewinnen Sabiri und Kollegen gegen die bereits ausgeschiedenen Kanadier, winkt den «Löwen vom Atlas» gar der Gruppensieg. Weil für Deutschland in der Gruppe E nur noch der zweite Rang zu erreichen ist, ist ein Duell im Achtelfinal durchaus realistisch. Wie vor 36 Jahren, als der ehemalige Afrikameister durch ein Tor von Lothar Matthäus sein bislang einziges K.o.-Spiel bei einer WM verlor.
Die Unterstützung von den Rängen ist den Nordafrikanern auf jeden Fall gewiss. Weit über 30'000 Landsleute weilten gegen Belgien im Al-Thumama Stadion. Kein Wunder, dass Sabiri in dieser Atmosphäre nicht über Krankenscheine in Nürnberg und Alleingänge in Paderborn reden wollte.