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Serbien-Kommentator Stojanovic «Ich möchte das Wort ‹Rache› nicht in den Mund nehmen»

Serbiens Spieler rund um Captain Dusan Tadic.
Legende: Streben den Achtelfinal-Einzug an Serbiens Spieler rund um Captain Dusan Tadic. Keytone/Neil Hall

Wie ist die Stimmung im serbischen Team vor dem Aufeinandertreffen mit der Schweiz im abschliessenden Gruppenspiel an der WM 2022 in Katar am Freitagabend? Wie steht es um allfällige Rachegelüste? Darüber haben wir mit Aleksandar Stojanovic gesprochen, der die Spiele Serbiens fürs nationale Fernsehen RTS (Radio-Televizija Srbije) kommentiert.

SRF Sport: Aleksandar Stojanovic, wie nehmen Sie die Stimmung im serbischen Team nach dem 3:3 gegen Kamerun wahr?

Aleksandar Stojanovic: Ich würde dafür gerne unseren Spieler Stefan Mitrovic zitieren, der zwei Worte gebraucht hat: Einerseits «Enttäuschung», andererseits «Hoffnung». Die Ernüchterung über den verpassten Sieg ist nach wie vor gross, aber nun gilt der Fokus voll und ganz dem Spiel gegen die Schweiz.

Diese Begegnung gab es bereits vor 4 Jahren, die Erinnerungen daran sind immer noch präsent. Sind die Spieler in Katar auf Revanche aus?

Ich werde ganz ehrlich mit Ihnen sein: Ich möchte mich nicht zu Gesten anderer Leute äussern. Ich nehme die Schweiz wie folgt wahr: Als fortschrittliches Land mit sehr netten Menschen, ich war schon einige Male dort. Die Schweiz sollte ein Vorbild für viele andere Nationen sein.

Das hören wir natürlich gerne. Aber glauben Sie tatsächlich, dass die Spieler ohne Rachegelüste in diese Partie gehen werden?

Ich möchte das Wort «Rache» aus serbischer Sicht nicht in den Mund nehmen. Ich finde es falsch, den Fokus weg vom Fussball zu lenken und so zusätzliche Emotionen zu schüren.

Aleksandar Stojanovic.
Legende: Das serbische Pendant von Nati-Kommentator Sascha Ruefer Aleksandar Stojanovic. SRF

In der Schweiz rechnet man im Vorfeld der Partie aber mit Provokationen von serbischer Seite. Zurecht?

Leider ist das ein generelles Problem in der heutigen Medienlandschaft. Es zählen nur noch Klicks und Schlagzeilen. Die Journalisten werden gar nicht mehr richtig ausgebildet, die Wahrheit spielt oft nur noch eine Nebenrolle. Ich als Kommentator werde den Fokus ausschliesslich auf das Spiel legen, aber natürlich erwähnen, dass gewisse Medien den Sport mit Themen wie Politik, Nationalismus oder Wirtschaft vermischen wollen. Dass die Trennung schwierig ist, ist mir bewusst. Das haben wir nicht zuletzt an dieser WM schon einige Male erlebt.

«Wir konzentrieren uns nur auf den Fussball» hört man auch aus dem Schweizer Lager, man möchte von keiner Seite zusätzlich Öl ins Feuer giessen.

Für mich ist ganz klar: Serbien hat im Spiel gegen die Schweiz die grössten Chancen, wenn es sich ausschliesslich auf den Fussball und nicht auf Nebenschauplätze konzentriert. Die Vergangenheit sollte dabei keine Rolle spielen. Die Spieler müssen als erwachsene Männer auftreten. Aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde dieses Thema langsam ermüdend. Lassen Sie uns über den Sport sprechen. Die Rivalität zwischen der Schweiz und Serbien gibt es ja nicht nur im Fussball, sondern auch im Tennis. Oder besser gesagt: Es gab sie (schmunzelt).

Sie sprechen Roger Federer und Novak Djokovic an.

Genau. Wenn wir gerade dabei sind: Ich denke, Novak wäre genau die richtige Person, um die Mannschaft auf dieses Spiel einzustimmen. Er ist ein hervorragender Rhetoriker und würde sicher die richtigen Worte finden.

Wieviel Druck lastet vor dem entscheidenden Spiel auf den serbischen Spielern?

Ich werde im Zusammenhang mit Fussball immer wieder nach Druck gefragt. In diesen Momenten denke ich jeweils an einen sehr guten Freund von mir, der Herzchirurg ist. Er verspürt Druck. Nicht die Spieler. Sie spielen Fussball, sie sollten das geniessen können. Das wäre auch mein Rat an sie: ‹Geht raus und habt Freude!› Das ist kein Krieg, es ist ein Spiel.

Hinweis

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Verfolgen Sie die Partie Serbien - Schweiz in der WM-Gruppe G am Freitag ab 19:15 Uhr bei SRF zwei oder in unserer Sport App mit Livestream und Liveticker. Auch Radio SRF 3 wird durchkommentieren. Der Anpfiff im Stadium 974 in Doha erfolgt um 20:00 Uhr.

Wem räumen Sie in diesem Spiel die grösseren Chancen auf ein Weiterkommen ein?

Ich möchte den Schweizern nicht schmeicheln, aber ich muss ehrlich sein: Die Schweiz hat an diesem Turnier bislang mehr gezeigt als Serbien. Ihr habt Kamerun geschlagen, wir nicht. Ihr habt gegen Brasilien eine bessere Figur gemacht. Ich gehe nicht so weit und sage, dass die Schweiz gewinnen wird, aber ich denke, die Chancen in diesem Moment stehen bei 60:40. Wenn ich rein aufgrund des Talentes eine Einschätzung abgeben müsste, wäre es eher 50:50.

Noch eine letzte Frage: Was würde es für Serbien bedeuten, die K.o.-Phase zu erreichen?

Wahnsinnig viel! Wir haben das weder 2010 noch 2018 geschafft. Wenn wir mit Bescheidenheit ins Spiel gehen und uns nur auf den Fussball konzentrieren, dann können wir es schaffen. Es wäre grossartig für den serbischen Fussball.

Das Gespräch führte Svenja Mastroberardino, Doha.

SRF zwei, sportlive, 28.11.22, 11 Uhr

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