Für junge Fussballprofis ist Spielpraxis unerlässlich. Das gilt für Torhüter in besonderem Masse. Dementsprechend gesellte sich zu den vielen Glückwünschen mitunter auch Unverständnis, als Marvin Keller im Februar von Wil zu YB wechselte. Man mutmasste, er würde erst als Nummer 2 hinter Anthony Racioppi und nach der Rückkehr des verletzten David von Ballmoos als dritter Keeper auf der Bank versauern.
Doch der Wechsel hat sich bereits ausbezahlt. Von Ballmoos' Verletzung ist langwieriger als zunächst angenommen und nun fällt auch noch Racioppi aus. Bedeutet für den 20-jährigen Keller: Nach nur 3 Auftritten in der Super League hütet er das Tor des Meisters im Cupfinal.
Reifer Geist in jungem Körper
Sorgen macht man sich in der Hauptstadt vor dem zweiten und finalen Saisonhighlight nicht. Zu souverän waren die Auftritte des knapp 1,90 Meter grossen Goalietalents, erst 2 Gegentore kassierte er, strahlte dabei eine enorme Ruhe und viel Reife aus. Oder in den Worten der Berner Zeitung : «Wie ein 30-Jähriger in einem zehn Jahre jüngeren Körper.» Und auch Trainer Raphael Wicky betont: «Ich habe volles Vertrauen in ihn.»
Freilich, die Ausgangslage hat sich rapide geändert: Von scheuen Aufstiegsträumen mit dem FC Wil (die sich nach seinem Wechsel für den St. Galler Klub recht bald zerschlugen) zum Cupfinal im heimischen Wankdorf – auch für einen mental starken Charakter fraglos eine Reifeprüfung.
Das Finalduell mit Lugano ist für Keller auch auf Goalie-Ebene ein interessantes: Beim Tessiner Gegner trifft er auf einen weiteren U21-Natigoalie: Amir Saipi. Der 2 Jahre ältere Rückhalt der «Bianconeri» hat seinem Gegenüber etwas voraus. Er holte sich mit Lugano im Vorjahr den Cuptitel.
Keller wird alles dafür tun, diese Lücke zu schliessen. Mit der Reife eines 30-Jährigen in einem 20-jährigen Körper.