Am 19. Juli des Vorjahres geschah es: Sandro Schärer, Schiedsrichter der Partie Sion-Basel, hatte auf Penalty für die Sittener entschieden. Dann aber griff er sich ans Ohr und formte später mit seinen Händen ein Viereck. Der «Video Assistant Referee» hatte sich aus Volketswil gemeldet. Schärer sah sich die Szene erneut an und nahm seinen Penalty-Pfiff zurück: die VAR-Premiere in der Super League!
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass die erste VAR-Intervention zuungunsten der Walliser entschied. Sion-Präsident Christian Constantin hatte im Vorfeld frohlockt: «Endlich werden wir nicht mehr benachteiligt werden.»
Zum einjährigen Geburtstag des Videobeweises in der Schweiz lässt sich einiges konstatieren. Etwa, dass der VAR den Fussball gerechter macht. Viele Befürchtungen blieben unbegründet. Als Stärke gilt, dass er sich hierzulande nur selten einmischt.
Doch es lässt sich auch feststellen, dass der Videoassistent gelegentlich an seine Grenzen kommt. Dieses Risiko ist damit begründet, dass der VAR «den Schiedsrichter bei einem klaren und offensichtlichen Fehler unterstützen» dürfe. Dass dieses Kriterium Spielraum offenlässt, liegt auf der Hand. Unter anderem sorgten diese Szenen für hitzige Diskussionen:
- 8. Runde, Basel - FC Zürich 4:0 – Kevin Bua, erhöht in der 51. Minute zum vorentscheidenden 2:0. Wenige Sekunden zuvor hat er Simon Sohm rüde mit offener Sohle von hinten attackiert und nur Gelb gesehen. Der VAR bleibt stumm. Ein Fehler, wie Schiedsrichter-Chef Daniel Wermelinger später einräumt.
- 23. Runde, St. Gallen - YB 3:3 – Der Spitzenkampf als Wechselbad der Gefühle. Erst entlarvt der VAR in der 96. Minute ein Handspiel von St. Gallens Miro Muheim. Als Lawrence Ati Zigi den fälligen Penalty pariert, schaltet sich Volketswil abermals ein: Der Keeper habe sich zu früh von der Linie bewegt, der Strafstoss muss wiederholt werden. Diesmal trifft Guillaume Hoarau. Richtig entschieden, meint die Swiss Football League. Zu wenig Fingerspitzengefühl, urteilen die FCSG-Akteure.
Ende Saison will die SFL den VAR erneut bewerten. Die Evaluation Ende 2019 war äusserst positiv ausgefallen: Man sei «sehr zufrieden», dank des Video-Schiris seien nach 18 Runden 21 Fehlentscheide korrigiert worden. Nach einem Jahr ist der VAR aus dem Fussball nicht mehr wegzudenken. Und unabhängig davon, wie man die technische Hilfe findet, steht fest: Die Emotionen im Fussball leben weiter.