Als Konstantin II. 1967 nach missglücktem Putsch ins Exil flüchtete, war dies der Anfang vom Ende der griechischen Monarchie. Und doch wird am 4. Juli 2004 ein neuer Mann auf den Thron gehoben: König Rehakles I. Diese deutsche Lichtfigur des griechischen Fussballs hat die «Ethniki» als Trainer sensationell zum EM-Triumph geführt.
Das erste Zeichen setzt Griechenland bereits im Startspiel. Der euphorisierte Gastgeber und Mitfavorit Portugal um seine Fussball-Halbgötter wie Luis Figo und Rui Costa sowie Youngster Cristiano Ronaldo wird 2:1 bezwungen. Es soll die einzige Partie bleiben, in welcher die genügsamen Griechen nicht genau einen Treffer erzielen.
Ronaldo lernt die Griechen kennen
Otto Rehhagel, so der bürgerliche Name des späteren Königs, erinnert sich: Ronaldo habe sich im Vorfeld kaum mit dem Herausforderer beschäftigt. Seine Verteidiger motiviert Rehhagel damit. Und tatsächlich: Giorgos Karagounis schon nach 7 Minuten und ein Penalty in der 2. Halbzeit bringen die «Hellenen» auf Kurs, Ronaldo kann in der Nachspielzeit nur noch verkürzen.
Spätestens nach dem 1:1 im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien ist die Euphorie rund ums griechische Team entfacht. Trotz einer abschliessenden Niederlage gegen Russland steht die Rehhagel-Equipe in der K.o.-Phase. Getreu der Sportfloskel, wonach eine starke Defensive am Ursprung eines jeden Titelgewinns stehe, führen die Griechen ihre EM fort.
Fels Dellas oder: das Comeback des Liberos
Die Schönheit des Spiels wird dem Erfolg untergeordnet. In der Brust des objektiven Fussballfans schlagen zwei Herzen, die Liebe zum Underdog ringt mit jener zum gepflegten Aufbauspiel. Rehhagel lässt die Beobachter nostalgisch werden, verhilft er in Person des mächtigen Traianos Dellas doch der Position des Liberos zum unverhofften Comeback.
Captain und Regisseur Theodoros Zagorakis bringt Ordnung und ein Mindestmass an Eleganz in die eigenen Reihen. Er wird später zum Spieler des Turniers ausgezeichnet werden. Und vorne hat Griechenland Angelos Charisteas. Der Stürmer ist nach dem Double-Gewinn mit Werder Bremen mit viel Selbstvertrauen eingerückt. Seine wuchtigen Kopfbälle sorgen bei gegnerischen Abwehrreihen für Angst und Schrecken. In Portugal wird er am Ende 3 der 7 griechischen Tore erzielt haben.
Vom Clooney-Double zum Helden-Goalie
Charisteas und Co. arbeiten sich durch die K.o.-Phase. Findet der Gegner einmal eine Lösung gegen die Abwehrrecken, steht Antonios Nikopolidis bereit. Der Keeper, als Panathinaikos-Ersatzmann ohne Spielpraxis nach Portugal gereist, mausert sich vom George-Clooney-Double zum Mitglied des EM-Allstar-Teams.
Letztlich ist alles Kopf-(Ball-)Sache: Im Viertelfinal – 1:0 dank Kopfball Charisteas! – wird Frankreich mit Effizienz aus dem Turnier geworfen. Im Halbfinal – 1:0 n.V. dank Kopfball Dellas! – ereilt Tschechien dasselbe Schicksal.
Und dann steht er vor der Tür, der 4. Juli 2004, der Tag, an dem Halbgötter in den Olymp erhoben und Könige geboren werden. Im Endspiel heisst Griechenlands Gegner erneut Portugal. Der Gastgeber hat aus der Niederlage in der Gruppenphase gelernt. Allein: Es hilft nichts. Wieder steigt Charisteas am höchsten, wieder und zum letzten Mal gewinnen die Griechen 1:0.
Es ist eine der grössten Sensationen in der jüngeren Sportgeschichte. Und die Geburtsstunde des wirklich letzten Königs Griechenlands.