Steht der Küchenchef für Spitzensportler im Einsatz, unterscheidet sich seine Kundschaft nicht allzu sehr von der üblichen. Klar, Proteine müssen ausreichend vorhanden sein. Geht es jedoch um Spitzensportlerinnen, ändert sich einiges. Stephan Kastl weiss das ganz genau. Er ist aktuell um das leibliche Wohl des Frauen-Nationalteams besorgt.
Das Stichwort lautet zyklusbasierte Ernährung. Kastl erklärt: «Es gibt Vorgaben von den Ärzten, wonach wir die Menüs kreieren. Die Spielerinnen sind über ihre aktuelle Zyklusphase und die dafür förderlichen Nahrungsmittel informiert.» Alle Speisen werden mit den jeweiligen Inhaltsstoffen beschriftet. Man sieht sofort, wie proteinreich eine Mahlzeit ist, in welchem Masse sie Antioxidantien enthält.
Immer wieder Brokkoli
Egal, ob Mann oder Frau, Spitzensportlerin oder Couch Potato: Ein Besuch der Arbeit Kastls in der Unterkunft der Nati löst ähnliche Reflexe aus wie die Glocke bei Pawlows Hund. Prächtig angerichtet strahlt das Buffet in allen Farben. Unter den warmen Speisen stehen an jenem Abend Wolfsbarsch, Trockentomatenpesto, natürlich Pasta, Trutenpiccata und Polenta auf dem Menüplan. Dazu Kohlrabi und Brokkoli.
Welches werden die Favoriten der Spielerinnen sein? Kastl schätzt, dass «Piccata und Spaghetti gut im Rennen» sind. Brokkoli demnach weniger? Der Koch lacht und meint diplomatisch: «Den haben sie halt relativ oft.»
Nach dem Spiel gerne einen Döner
Es ist ein Abend zwischen zwei Vorrundenspielen. An Matchtagen müssen hingegen einige Stunden vor Anpfiff Kohlenhydrate zugeführt werden. Nach dem Ernstkampf darf es auch ein sogenanntes «Cheat Meal» sein, etwa Pizza oder Burger. Aktuell laut Kastl hoch im Kurs: Döner.
Doch nicht für alle in der klassischen Variante, denn im Team gibt es auch Vegetarierinnen. Ernährungstechnisch kein Problem, solange man sich die Proteinzufuhr durch Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte, Hummus oder Hüttenkäse holt.
In Aserbaidschan wurde es kompliziert
Nicht nur das Nationalteam geniesst an der EURO Heimvorteil, auch Kastl. Die Schweiz birgt Standortvorteile: «Man kennt die Produkte, die Lieferanten, den Ausbildungsstand der Mitarbeiter.» Nicht immer wurde es ihm leichtgemacht. Beim Gastspiel im aserbaidschanischen Baku erschwerten Sprachbarrieren die Zusammenarbeit. Die Hygienestandards waren auch nicht gerade auf Schweizer Niveau. Letztlich klappe es aber immer, so Kastl, denn «die Küchenmannschaften vor Ort haben auch ihren Stolz».
Stolz machen würde ihn mit Sicherheit, wenn die Schweizerinnen am Donnerstag gegen Finnland den Viertelfinal-Einzug klarmachten. Der anschliessende Döner würde wohl gleich doppelt so gut schmecken.