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Im Hintergrund aktiv Teampsychologe Meyer: «Jetzt nicht in Aktionismus verfallen»

Wie geht man mit dem Druck einer Heim-EM um? Wie verarbeitet man Hiobsbotschaften? Nati-Teampsychologe Alain Meyer erzählt.

Der Auftritt im Eröffnungsspiel vor unglaublicher Kulisse, der wichtige Erfolg über Island oder zuletzt die Reaktion auf den 0:1-Rückstand gegen Finnland: Man kann bislang nicht behaupten, dass das Nationalteam an der Heim-EM dem Druck nicht hätte standhalten können.

Mitverantwortlich für diese psychische Stabilität ist Alain Meyer, seines Zeichens Sportpsychologe des Teams. Der Bieler kennt diesen Druck, der einstige Goalie war selbst Fussballprofi. Nachdem man ein Jahr lang auf das Turnier hingearbeitet habe, sei er während der EURO eher im Hintergrund. Aber: «Ich bin immer erreichbar für die Spielerinnen.»

«Ist für mein Sportpsychologen-Herz richtig schön»

Mit gezielter Arbeit im Vorfeld habe man auf mentaler Ebene alles aufgegleist. Nun sei das Miteinander in der Equipe bewundernswert: «Der Teamgeist trägt natürlich sehr. Wenn ich sehe, wie sie sich vor den Spielen verhalten, wie sie miteinander tanzen, singen, dann ist das für mein Sportpsychologen-Herz richtig schön zu beobachten.»

Captain Lia Wälti betont Meyers Wichtigkeit: «Bei einem Heimturnier ist der Druck natürlich extrem. Da ist es wichtig, dass wir eine Ansprechperson haben. Er ist 24 Stunden für uns da.» Der Seeländer sei aus dem Team «nicht mehr wegzudenken». Alayah Pilgrim stützt diese Einschätzung: «Ihm fällt auf, wenn eine Spielerin down ist, zu viel Druck hat. Er merkt das nur schon anhand der Körpersprache.» Meyer sei «extrem wichtig».

Ein weiterer Beleg dafür, dass Meyer grosses Vertrauen im Team geniesst, wurde am Tag vor dem Duell mit Finnland sichtbar. Die angeschlagene Meriame Terchoun beobachtete das Abschlusstraining auf der Tribüne an der Seite des Psychologen. Meyer meint dazu: «Wir haben eine sehr gute Beziehung und führten ein sehr gutes Gespräch. Sie brauchte etwas Distanz vom Training.»

Mann und Frau im Gespräch auf einem Fussballfeld.
Legende: Für die Spielerinnen eine absolute Vertrauensperson Alain Meyer, hier mit Meriame Terchoun. Toto Marti/Blick/freshfocus

Nicht nur, aber gerade in schwierigen Momenten ist der 48-Jährige ein gefragter Gesprächspartner. Das war auch im Vorfeld des Turniers der Fall, als mit Ramona Bachmann und Lara Marti gleich zwei Spielerinnen die Heim-EURO mit Kreuzbandrissen abhaken mussten. Meyers Motto: bewusst darüber reden, mit den Betroffenen als auch dem Rest des Teams. «Es ist wichtig, dass es keine Tabuthemen gibt, dass wir miteinander transparent sind.» Und auch dass man Verletzlichkeit zulasse.

Es ist nie das Ziel, keinen Druck zu haben, sondern mit dem Druck umzugehen.

«Es passt manchmal nicht so in den Kontext Spitzensport, aber man darf verletzlich sein. Ich bin überzeugt, dass das Team dadurch enger zusammengewachsen ist», schätzt Meyer. Für andere Akteurinnen war wiederum belastend, dass sie um ihren Platz im Kader bangen mussten. Die Devise des Psychologen: «Es ist nie das Ziel, keinen Druck zu haben, sondern mit dem Druck umzugehen und Topleistungen zu bringen.» Hier gelte genauso: Ungute Gefühle sollen nicht unterdrückt werden, «Anspannung ist eine kompetente Reaktion des Körpers».

Im Viertelfinal gegen Spanien ist man erstmals klarer Aussenseiter. Was bedeutet das auf psychologischer Ebene? Das töne vielleicht komisch, holt Meyer aus, aber: «Ich helfe, indem ich gar nicht viel ändere. Ich will nicht, dass wir in Aktionismus verfallen. Eine Feuerwehrübung würde völlig gegen meine Philosophie gehen.» Sein Fokus liege auf der Konzentration auf den eigenen Stärken: «Control things you can control.»

UEFA Women's EURO 2025

Radio SRF 3, Sportbulletin, 15.7.25, 17:50 Uhr

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