Alayah Pilgrim muss kurz überlegen, als sie von SRF gefragt wird, ob sie auf dem Feld Eigenschaften eines Löwen mitbringe. Sie schmunzelt, dann bejaht sie: «Der Löwe ist mein Lieblingstier und mit meiner Mähne passt es auch.» Zudem stammt ihr Vater aus Marokko, dessen Fussball-Nationalmannschaft «Löwen des Atlas» genannt wird.
Wie eine Löwin auf der Jagd schlug die Roma-Legionärin an der EM gegen Island zu. Nach ihrer Einwechslung erzielte sie das wichtige 2:0 – flink und erbarmungslos. Beim 1:1 gegen Finnland war sie in den kapitalen Ausgleichstreffer involviert.
Dass die Raubtier-Frage überhaupt aufkommt, liegt an der Medienkonferenz, die soeben zu Ende gegangen ist. Auf die Nachfrage eines Journalisten, was es mit Pilgrims Familie und einem echten Löwen zu tun hat, folgt eine filmreife Geschichte der 22-jährigen Stürmerin.
Bei Pilgrims Mutter steht Löwe «Mauzli»
Und die geht so: Alayahs Grossvater Jürg Pilgrim, einst Gemeindepräsident von Muri (AG), vertritt als Anwalt die Zirkusfamilie Nock. Als drei Löwenbabys von ihrer Mutter verstossen werden, nimmt der Anwalt diese bei sich zu Hause auf. Während zwei davon sterben, überlebt «Mauzli». Weil Pilgrim zugleich Schulpräsident ist, wird der Löwe sogar an der Leine mit zur Schule genommen – und im Winter zum Schlitteln.
Als Mauzli anderthalbjährig eingeschläfert werden muss, kann sich sein Herrchen nicht trennen und lässt ihn kurzerhand ausstopfen. Zunächst dient er am Eingang als Abschreckung für Einbrecher. Mittlerweile steht die Raubkatze in Muri, im Wohnzimmer von Pilgrims Mutter Tanja.
Gegen Spanien in der Startelf?
Soviel zum echten Löwen. Gegen die Favoritinnen aus Spanien will man nun nicht wie bei den letzten Aufeinandertreffen zur leichten Beute werden. Natürlich werde es unheimlich schwierig, ist sich Alayah Pilgrim bewusst. Doch sie betont: «Sie sind auch nur Menschen. Wir müssen sie zu Fehler zwingen, Konterchancen ausnutzen.»
Bislang agierte die Aargauerin, die sich von mehreren Verletzungen zurückgekämpft hatte, jeweils als Joker. In der aktuell breit aufgestellten Offensive bietet sich Trainerin Pia Sundhage eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Pilgrim wiegelt ab: Möglicherweise kommt die schnelle Offensivkraft gegen Spanien von Beginn weg zum Handkuss, ihr Tempo dürfte im Sinne eines schnellen Umschaltspiels gefragt sein. So oder so betont sie: «Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf. Die Stimmung ist super, das habe ich so noch nie erlebt, auch im Klub nicht.»
Selbiges gelte auch fürs öffentliche Training am Sonntag. 4000 Fans pilgerten ins Neufeld. Bei mässigem Wetter am Morgen habe man nicht mit vielen Leuten gerechnet, sei dann beim Anblick der Menge regelrecht «erschrocken».
«Das ist megaschön zu sehen, wie wir die Bevölkerung bewegen konnten», findet Pilgrim. Begeisterungsstürme will das Nationalteam auch am Freitag im Viertelfinal auslösen. Mit einer guten Leistung – und dem Kämpferherz einer Löwin.