An der Platzinspektion vor dem Spiel, bei der Passübung im Training am Tag danach, beim Schäkern mit Alisha Lehmann, mit einer Umarmung Trost spendend bei Sydney Schertenleib: Johan Djourou ist während der EURO allgegenwärtig. Seit einem Jahr ist er «Sportlicher Koordinator» des Frauen-Nationalteams. Und er ist beliebter Gesprächspartner der Medienschaffenden.
Kein Wunder: Da ist einerseits das reichhaltige Palmarès, die Meriten, auf die der 76-fache Nationalspieler und langjährige Arsenal-Verteidiger zurückblicken kann. Andererseits ist da Djourous Art: Immer ein Lächeln auf den Lippen, voller Energie, doch zugleich mit der ihm eigenen Ruhe. Egal, welche Spielerin man nach ihm fragt, es fallen immer (wirklich immer!) die Worte «positive Energie». Er ist einer, dem man seine Sorgen anvertraut.
Kleine Mädels sollen grosse Träume verwirklichen können.
Djourou hat drei Töchter, allesamt spielen sie Fussball. Sie stehen am Ursprung seines Engagements bei den Frauen: Djourou trainiert das U15-Team der Frauen des FC Lancy. Das verleiht seinen klaren Botschaften zusätzlich Glaubwürdigkeit. Er erzählt mit Inbrunst: «Ich denke gross: Ich will, dass die Frauen dieselben Möglichkeiten wie die Männer haben.» Und in der gleichen Antwort etwas poetischer: «Kleine Mädels sollen grosse Träume verwirklichen können.»
Mit der Heim-EM ist er mehr als glücklich. Man könne das nicht mit der EURO 2008 vergleichen, da diese mit Österreich noch in einem 2. Land stattgefunden habe: «Jetzt haben wir alle Fans in der Schweiz. Diese Fanmärsche – es ist unglaublich und deshalb schon anders.»
Er koordiniert, tröstet, schlägt Flanken
Weniger klar ist dabei der klare Aufgabenbereich des 38-Jährigen. Er agiert als Motivator, Koordinator, Flankengeber, Kummerkasten. Der Jobbeschrieb des SFV lässt viel Spielraum offen: «Der sportliche Koordinator ist ein zusätzliches Bindeglied zwischen Spielerinnen und Trainerteam, der in engem Austausch mit der Direktorin Frauenfussball steht.»
Er koordiniert zwischen Spielerinnen und dem Trainerteam, egal welche Anliegen.
Erwähnte Direktorin, Marion Daube, versucht Licht ins Dunkel zu bringen: «Er koordiniert zwischen Spielerinnen und dem Trainerteam, egal welche Anliegen.» Sie ist voll des Lobes für den Genfer. Dass das Schlagen von Flanken nicht unbedingt zum Pflichtenheft gehört, bestreitet sie indes ebenso wenig, wie dass man noch in der Findungsphase sei. Viele Aufgaben habe es in der Vergangenheit gar nicht gegeben, «es ist ein Schritt in Richtung Professionalisierung».
Ein Grund für den unübersichtlichen Aufgabenbereich: «Wir sind nicht ganz so strukturiert, wie wir es uns wünschen.» Es gibt keinen Sportchef, Daube hat als Direktorin Frauenfussball auch die Women's Super League unter sich. In der Nations League konnte sie nicht immer vor Ort sein und wurde von Djourou vertreten. Pflichtenheft hin oder her, letzten Endes stehe das Wohl der Spielerinnen im Zentrum.
Federführend im Legacy-Projekt
Djourous eigentliches Steckenpferd ist das Legacy-Projekt: In dessen Rahmen ist er zudem Projektmanager für das Impulsprogramm «Footura+». 2023 waren etwa Iman Beney und Leila Wandeler Teil dieses Förderprojekts für junge Talente.
Man wird die Rolle des Johan Djourou in naher Zukunft wohl etwas genauer definieren müssen. Doch aus Spielerinnensicht ist klar, wofür er neben seinem fussballerischen Knowhow von grossem Wert ist. Schertenleib brachte es an einer Medienkonferenz auf den Punkt: «Er ist immer da, wenn man eine Umarmung braucht.»