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Rückblick auf EM 2025 Jetzt hat auch die Schweiz ihr «Sommermärchen»

Fragezeichen, Schweizer Zurückhaltung, Viertelfinal-Out – na und? Die Women's EURO 2025 war ein Erfolg auf ganzer Linie.

Als ich am 27. Juni durch Zürich laufe, frage ich mich, ob das was wird mit dieser EM. Viel zu spüren ist vom erhofften Schweizer Sommermärchen noch nicht. Ein paar Plakate, die in Uefa-gebrandeten Wegweiser rund um den Letzigrund, mehr nicht. Dass in ein paar Tagen Trubel in der Fanzone in der Europaallee herrschen soll? Schwer vorstellbar.

Dazu die Fragezeichen in den Köpfen der in der Regel nicht unter unheilbarem Optimismus leidenden Herr und Frau Schweizer: Was, wenn sich das gastgebende Frauen-Nationalteam nach der mässigen Vorbereitung blamiert? Was, wenn es drei Wochen durchregnet?

Sundhage und Petrus zerstreuen Sorgen

Dass dies einerseits Pia Sundhage, andererseits Petrus zu verhindern wissen, erfahren die Fans direkt nach dem Anpfiff zum Eröffnungsspiel. Der St. Jakob-Park ist ausverkauft, bei hochsommerlichen Temperaturen liefert die Schweiz die beste Halbzeit in der Ära Sundhage ab. Nervosität? Fehlanzeige. Am Ende unterliegt man abgebrühten Norwegerinnen. Doch der Auftritt hat ein Feuer entfacht, das nicht mehr zu löschen ist, ein Flächenbrand, der sich über das ganze Turnier zieht.

Retrospektiv brennen sich zahllose Momente dieser fussballerisch hochstehenden EM ins Gedächtnis. Riola Xhemailis Fuss, Lia Wältis Knie, Ann-Katrin Bergers Arm, Cristiana Girellis Wille, die technische Klasse in Spaniens Mittelfeld, die Fähigkeit der Engländerinnen, sich wie Houdini aus jeder ausweglosen Situation zu befreien – nur einige Beispiele für die EM der Rekorde.

Meiste Tore, meiste Fans, Rekordmarsch

Denn es ist nicht einfach ein Gefühl, es sind Zahlen, die das Spektakel und die Euphorie untermalen: 106 Tore – Höchstwert. Bezeugt von über 657'000 Fans in den Stadien – gab es an einer Frauen-EM noch nie. Turnier-Direktorin Doris Keller war mitunter belächelt worden, als sie es wagte, von einer «ausverkauften EM» zu träumen. Am Ende sind die Arenen in 29 von 31 Partien voll (nur Genf weist zweimal einige freie Plätze auf). 25'000 Fans absolvieren vor dem Schweizer Viertelfinal den Fanmarsch, auch das Bestwert.

Und dann sind da noch die fabelhaften TV-Quoten, die äusserst gut besuchten Public Viewings. Dabei geht es immer fair und sicher zu und her, was auch der ausländischen Presse nicht entgeht. Die sonst stets abgeklärt auftretende Kapitänin Wälti findet aus dem Schwärmen kaum mehr heraus, findet es immer wieder «unglaublich», kann mehrmals Freudentränen nicht zurückhalten, wählt Superlative. Und dies nur wenige Wochen, nachdem sie die Champions League gewonnen hat.

Wille auf dem, Unbekümmertheit neben dem Platz

Man könnte es nach dem Viertelfinal-Out nüchtern sehen: Der Schweizerische Fussballverband hat die K.o.-Phase als Ziel ausgegeben und erreicht. Differenz null, so what? Doch es geht auch um das Wie. Etwa, dass man die spanischen Dominatorinnen mit drei Teenagern in der Startelf herausfordert. Dass man mit Wille und Klasse Euphorie erzeugen und in der Mitte der Gesellschaft landen kann. Neben dem Platz tanzend eine ganz neue Unbekümmertheit ausstrahlend. Auf den Fan-Trikots ist je länger desto öfter «Schertenleib» oder «Beney» zu lesen statt wie zuvor «Xhaka» oder «Freuler».

Am 27. Juli kehre ich vom Final in Basel nach Zürich zurück, versuche Ohrwürmer wie «Sweet Caroline» und «Football's Coming Home» loszuwerden. Und ich weiss: Es wurde was mit dieser EM – und wie! Sie war begeisternd, fair, ein Sommermärchen. Auf und neben dem Platz.

UEFA Women's EURO 2025

SRF zwei, Sportlive, 27.7.25, 17 Uhr

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