Ob Fans, Spielerinnen oder Experten: Überall wird geschwärmt von den fussballerischen Grosstaten, die Spanien an der Women's EURO grade vollbringt. Angeführt von Alexia Putellas, Patri Guijarro und Aitana Bonmati flogen die Südeuropäerinnen durch die Gruppenphase. Tordifferenz: 14:3, ein Statement.
Eine Akteurin mit ähnlichen Anlagen war (und ist) Como-Offensivspielerin Veronica Boquete. Allein: Ihr blieb die Gnade der späten Geburt verwehrt. Man vergisst ob der aktuellen Dominanz gerne, dass der Höhenflug des spanischen Frauenfussballs noch sehr jung ist.
2013 qualifizierte sich «La Roja» erst zum 2. Mal für eine EM. Boquete – die in der Schweiz als Kommentatorin für das spanische TV im Einsatz steht – und Co. scheiterten wie in den kommenden beiden Europameisterschaften im Viertelfinal. Boquete war ebenfalls 2015 bei der ersten WM-Teilnahme des Landes dabei, man blieb schon in der Vorrunde hängen.
Nach ihr ist ein Stadion benannt
An ihr lag es nicht. Sie war Spaniens Rekordtorschützin, bis Jenni Hermoso sie überholte, gewann 2015 mit dem 1. FFC Frankfurt die Champions League und Meistertitel in Deutschland, Schweden und den USA. Wie bedeutend ihr Status in der Heimat ist, zeigt sich daran, dass in ihrer Heimat Santiago de Compostela die 17'000 Plätze bietende Fussballarena 2018 in Estadio Vero Boquete de San Lazaro umbenannt wurde.
Es gibt diesen typisch spanischen Stil, den jedes Kind kennt.
Boquete weiss, worauf die Stärke der aktuellen «Seleccion» gründet: «Wir waren schon vorher stark, aber die professionellen Strukturen haben gefehlt. Man hat viel für die Entwicklung gemacht, optimale Trainingseinrichtungen erbaut.» Die spanischen Klubs böten Top-Akademien mit sehr gut ausgebildeten Coaches. Und: «Es gibt diesen typisch spanischen Stil, den jedes Kind kennt», erzählt die Galicierin. Dazu kämen Vorbilder wie Putellas oder Bonmati.
Spaniens bisherige Partien
Defensive verletzlich, Goalie-Position sorgt für Unruhe
Die 38-Jährige kennt zugleich die Schwächen von «La Roja»: «Wir sind verletzlich bei Kontern, bei schnellem Umschaltspiel. Wir haben es gegen Italien gesehen, auch gegen Belgien.» Das liege nicht zuletzt daran, dass die Defensive sehr hoch stehen müsse. «Sonst ist es unmöglich, in der Offensive so dominant aufzutreten.»
Keine Schwäche, aber ein dickes Fragezeichen ist die Goalie-Position. Nummer 1 Cata Coll sass nach einer Mandelentzündung nur auf der Bank – auch gegen Italien, als sie wieder fit war. Ersetzt wurde sie durch die unerfahrene Adriana Nanclares. Boquete, die nicht von einer «Diskussion» sprechen will, ist sich sicher: «Wenn Coll fit ist, gibt es keinen Zweifel, dass sie die Nummer 1 ist.»
Vor 2 Jahren stand Coll plötzlich im Tor
Möglicherweise irrt die lebende spanische Fussball-Legende hier. Trainerin Montserrat Tomé sprach davon, auf «Kontinuität» setzen zu wollen. Es wäre eine gewisse Ironie. Coll ersetzte an der WM vor 2 Jahren Misa Rodriguez ab den Viertelfinals, gab die Position nicht mehr her und wurde Weltmeisterin.
Hat Spanien vielleicht doch auch seine Goalie-Diskussion? Aus Schweizer Optik wäre durchaus zu hoffen, dass es nach dem Spiel mehr Grund gibt über Coll und Nanclares zu diskutieren denn über Putellas, Patri und Bonmati.