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Armin Hary im SRF-Interview «Heute sind die Sprinter nach einem Lauf acht Tage platt»

Am Sonntag vor 60 Jahren wurde Armin Hary zum schnellsten Mann der Welt. Mit seinen 10,0 Sekunden über 100 m durchbrach der Saarländer im Zürcher Letzigrund eine Schallmauer.

Dabei waren die Umstände rund um sein Rekord-Rennen äusserst schwierig. Im Gespräch mit SRF Sport rollt der heute 83-Jährige seine Erfolgsgeschichte auf, und er hält eingangs fest: «Wie könnte ich einen solchen Tag vergessen!»

SRF Sport: Der 21. Juni 1960 wird in der Leichtathletik-Szene ewig mit Ihnen verbunden sein. Dabei hatten Sie das Meeting in Zürich, das an diesem Tag über die Bühne gegangen war, gar nicht auf ihrem Radar.

Armin Hary: Doch schon. Ich war ja auch seit längerer Zeit eingeladen. Aber der deutsche Leichtathletik-Verband hatte seinen Athleten ein Startverbot auferlegt – er wollte sie für die Olympischen Spiele in Rom 2 Monate später schonen. Erst ganz kurzfristig erfuhr ich, dass ich von einer Ausnahmeregelung profitieren würde.

Folglich war die Vorbereitung alles andere als ideal?

Ich konnte gerade noch nach Hause, meine Sachen packen und zum Flughafen eilen. Mit Hängen und Würgen ergatterte ich eine Maschine, die eigentlich nicht für den Personentransport bestimmt war. Ärgerlich war, dass ich ausgerechnet am Vortag ein sehr hartes Training absolviert hatte. Immerhin konnte ich vor dem Wettkampf im Hotel in Zürich noch eine Stunde schlafen. Ganz meine Ruhe hatte ich allerdings nicht. Denn die Leute erkundigten sich mehrmals, ob ich denn nun angekommen sei.

Dann trommeln Sie in Ihrem Superlauf die Weltrekordzeit von 10,0 Sekunden auf die Aschenbahn. Zum Feiern war Ihnen dennoch nicht zumute ...

Im Ziel habe ich mich enorm über diese Zeit gefreut. Fünf Minuten später hiess es, dass die Marke nicht anerkannt würde, weil ich angeblich zu früh aus den Blöcken geschossen war. Es war ganz bestimmt kein Fehlstart. Aber es zählt nun mal das Urteil des Kampfgerichts.

Sie erhielten 35 Minuten später nochmals eine zweite Chance – und liefen erneut 10,0 Sekunden. Was haben Sie in dieser kurzen Verschnaufpause zwischen den Läufen gemacht?

Darüber nachgedacht, wie mutig ich sein wollte. Es war Schicksal, dass ich es nochmals so gut hingekriegt habe.

Alles, was ein Mensch zum ersten Mal erzielt, rückt in den Mittelpunkt.
Autor: Armin Hary

Zweimal innert Kürze voll powern und ans Leistungslimit gehen. Das verblüfft doch sehr.

Ach, heute sagen die guten Sprinter nach einem einzigen Lauf, sie seien für die nächsten acht Tage platt. So etwas habe ich nie gekannt, weshalb mich solche Aussagen doch sehr erstaunen. Ich musste einmal bei deutschen Meisterschaften an drei Tagen elf Läufe bestreiten. Da hat keiner darüber nachgedacht, ob er platt sein könnte ...

Zürich war quasi nur das Warm-up: 72 Tage später holten Sie als Sprinter Olympiagold, es folgte der Sieg mit der 4x100-m-Staffel. Was zählte für Sie mehr: das Erreichte in Zürich oder Rom?

Olympiasiege im Palmarès zu haben, das ist schon etwas. Die Erfolge machten mich sehr glücklich. Aber offensichtlich zählen die 10,0 Sekunden doch etwas mehr. Denn alles, was ein Mensch zum ersten Mal erreicht, rückt in den Mittelpunkt. Ich persönlich kann mich nicht festlegen, denn beides löste Glücksgefühle aus.

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