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Leichtathletik Ein Hindernislauf vor dem Marathon

Tadesse Abraham flüchtete vor 10 Jahren aus Eritrea. In 10 Wochen will der Marathonspezialist die Schweiz an der Leichtathletik-EM vertreten - und für seine neue Heimat eine Medaille gewinnen. Der Haken: Seine Einbürgerung ist noch hängig.

Leichtathletik-EM

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Zürich beherbergt vom 12. bis 17. August die kontinentalen Titelkämpfe. Das Stadion Letzigrund bildet das Herzstück des Anlasses. 1400 Athleten aus 50 Ländern werden in 47 Disziplinen um Medaillen kämpfen. Der Marathon der Männer durch die Stadt findet am Schlusstag statt.

Die Vorbereitung auf ein Rennen über 42,195 km ist eine Wissenschaft. Diesen Standpunkt vertritt Viktor Röthlin. Auch seine Akribie trug ihm 2010 EM-Gold im Marathon ein. Wenn sich der Obwaldner nun auf sein letztes Karriereziel vorbereitet, die Titelkämpfe im eigenen Land, überlässt er wiederum nichts dem Zufall.

Anders die Situation bei Tadesse Abraham. Der gebürtige Afrikaner wird als Schweizer Medaillenkandidat gehandelt, obschon ihm der Rote Pass noch fehlt. Er weilt aktuell im Höhentrainingslager in Äthiopien, dabei ist seine Teilnahme noch gar nicht gewiss.

Hoffen und vertrauen

Sein Weg zum EM-Marathon ist mit zusätzlichen Hindernissen gesäumt. Das Rennen beginnt nicht erst auf der Startlinie, sondern ist längst im Gang; als Wettlauf gegen die Zeit.

Sein Dossier und der Antrag auf eine Einbürgerung liegen beim Bundesamt für Migration in Bern. Für Spitzensportler ist ein beschleunigtes Verfahren möglich. Abraham bekräftigt: «Ich habe vollstes Vertrauen in die Behörden.» Der Stichtag wird der 3. August sein, der Tag des Meldeschlusses für die EM.

Gesiegt und aufgegeben

Im Jahr 2004 hatte sich Abraham bei der Cross-WM in Belgien vom eritreischen Nationalteam abgesetzt. Er flüchtete in die Schweiz, beantragte Asyl und feilte im LC Uster an seinen läuferischen Fähigkeiten. Heute lebt er mit seiner Schweizer Frau, einer Wirtschaftsprüferin, und dem gemeinsamen Sohn Elod (3) in Genf.

Der Triumph am Zürich-Marathon 2013 mit persönlichem Bestwert und Streckenrekord (2:07:45 Stunden) ist das herausragende Ergebnis seiner sportlichen Vita. Kein europäischer Marathonläufer unterbot in der letzten oder aktuellen Saison diese Zeit.

Doch es gab auch ernüchternde Erfahrungen. In diesem Frühling musste der 31-Jährige den Zürich-Marathon nach zwei Dritteln der Distanz mit Muskelbeschwerden aufgeben. Röthlin folgert daraus, dass Abraham wohl punktuell herausragende Leistungen liefere, «aber den Marathon als Ganzes noch nicht im Griff hat».

Die Aktien könnten steigen

Der Schweizer Pass wäre für den bereits selektionierten Abraham das Eintrittsticket für die Heim-EM. Er wünscht sich das Schriftstück aus einem weiteren Grund.

«Als Europäer wird man von den Veranstaltern mehr respektiert», machte er die Erfahrung. So hätte er die Aussicht auf höhere Startgelder und Sponsoring-Einnahmen. Eine EM-Medaille wäre ein weiteres Argument für die angestrebte Besserstellung.

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