Die Schweiz zählt 2 Millionen Läuferinnen und Läufer. Kein Land hat so viele Laufveranstaltungen wie die Schweiz – gemessen an der Bevölkerungszahl. Ein Blick in den Laufkalender zeigt: Allein diesen Herbst finden jedes Wochenende mehrere grosse Laufveranstaltungen statt. Aber längst nicht alle rentieren.
Ein Beispiel: Vor 3 Wochen ging der traditionsreiche Kerzerslauf in Freiburg über die Bühne. Normalerweise sind 7000 Teilnehmende am Start, 2021 sind es 1800. Trotzdem muss der Veranstalter einen beträchtlichen Aufwand betreiben: Der Lauf wird – coronabedingt – von einem eintägigen zu einem Event über drei Tage ausgewalzt. Aber nur wenige melden sich an.
«Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis», sagt OK-Präsident Markus Ith. «So würden wir das nicht mehr machen.» Natürlich sei er enttäuscht über die tiefe Teilnehmerzahl, aber er spüre auch eine tiefe Verunsicherung in der Bevölkerung: «Es fehlt der Eventcharakter des Anlasses. Es ist einfach ein Lauf – mehr nicht. Das wollen viele nicht.»
Fehlende Ambiance, Schutzkonzepte, 3G: Alles gute Gründe für tiefe Anmeldungszahlen. Trotzdem erstaunt es: Zuletzt fanden 2019 Laufveranstaltungen statt. Danach folgte eine lange Pause. Jetzt geht es wieder los, aber nur wenige haben Lust, sich eine Startnummer zu kaufen.
Wir bekriegen uns selbst und einige werden das nicht überleben.
Viktor Röthlin nennt noch einen anderen Grund für die Flaute: zu viele Läufe in zu kurzer Zeit. «Es herrscht ein Überangebot. Alle Frühlingsläufe sind in den Herbst verschoben worden und stehen nun in Konkurrenz mit bestehenden Veranstaltungen.» Der ehemalige Marathon-Europameister und selber Laufveranstalter spricht von einer Kannibalisierung der Szene und hätte sich mehr Solidarität unter den einzelnen Veranstaltern gewünscht. «So aber bekriegen wir uns selbst und einige werden das nicht überleben.»
In der Tat ist viel los: Der GP Bern – normalerweise im Mai – findet im Oktober am gleichen Tag statt wie der Hallwilerseelauf, der seit jeher zu den traditionellen Herbstveranstaltungen gehört. «Es kann schon sein, dass wir Läuferinnen und Läufer in Bern am Start haben werden, die normalerweise am Hallwilersee-Halbmarathon teilnehmen. Aber wir hatten keine andere Wahl als dieses Datum. Die Alternative wäre eine erneute Absage gewesen», sagt OK-Präsident Matthias Aebischer.
Optimistischer Aebischer
Es gebe zwar eine Massierung des Angebots, «aber das wird sich wieder einpendeln. Ich kann alle Veranstalter verstehen, die ihren Lauf 2021 unbedingt durchführen wollen. Das ist wichtig für die Kontinuität.»
Aebischer treibt eine ganz andere Frage um: die Zeit nach der Pandemie. «Niemand weiss, ob wir je wieder jene Zahlen erreichen werden, wie vor Corona. Keiner kann voraussagen, wie lange es dauert, bis eine Art Normalzustand herrscht und wie viele Veranstalter durchhalten können.» Trotzdem stimmt ihn etwas zuversichtlich: «Joggen boomt. Irgendwann können wir diese Neu- und Wiedereinsteiger beim GP Bern begrüssen.»