«Witer so, kömed!» Jörg Bürgin, der Trainer des Wasserfahrvereins Muttenz, leidet am Ufer sichtlich mit. Er rennt, schreit, feuert an. Sein hoffnungsträchtigstes Boot, bemannt mit Stephan Weymuth und Tobias Waldmeier, ist unterwegs. Die beiden streben im Paarwettfahren in Bremgarten die neue Bestzeit an. Dafür müssen sie das Boot, den sogenannten Weidling, in unter 4 Minuten Fahrtzeit ins Ziel bringen.
Die Aufgabe
Das 350 kg schwere und 10 Meter lange Schiff wird zuerst in Ufernähe flussaufwärts geschoben. Das geschieht mit einem sogenannten Stachel, einem langen Holzstab. Das «Stacheln» ist anstrengend. Nach ca. 40 Metern ist das geschafft, eine Boje wird umfahren. Die Männer greifen zu den Rudern und lenken das Boot auf die gegenüberliegende Flussseite. Der Weidling nimmt Fahrt auf.
Auf der anderen Uferseite muss der Bug des Weidlings, zwischen zwei Markierungen, punktgenau «gelandet» werden. Kampfrichter achten akribisch darauf, ob das gelingt. Zum Finale wird der Weidling nochmals bis zur Ziellinie flussaufwärts gestossen. Stephan Weymuth und Tobias Waldmeier unterläuft ein Fahrfehler. Sie verpassen ihr Ziel und landen nur auf dem 24. Rang.
Vereine
Etwa 30 Vereine mit 750 Lizenzierten gibt es in der Schweiz. Die Hochburgen sind allesamt an den Flüssen des Landes gelegen. Von Zürich, über Bremgarten-, bis hin zu Bern und Basel gibt es Wasserfahrvereine. Im Jahr finden ca. ein Dutzend Wettkämpfe statt.
Die Geschichte
Das Wasserfahren hat eine lange Tradition. Der Sport entstammt der Flösserei, einem heute ausgestorbenen Beruf. Zur Entstehungszeit der Flösserei im 12. Jahrhundert wurden viele Waren per Boot auf Schweizer Flüssen transportiert. Später begannen sich die Schiffer in Zünften zu organisieren. Im Zuge der Industrialisierung verlor der berufliche Teil dieser Zünfte an Bedeutung. Die ersten Wasserfahrvereine wurden gegründet, vorerst zur Seenotrettung respektive Flussrettung.
Parallel dazu entstanden um 1850 aus den Schiffszünften die Pontoniereinheiten der Schweizer Armee. Wasserfahren als Sportart heisst nicht «nur» Wettfahren absolvieren, es heisst auch stetige Ausbildung in Nautik und fahrerischem Geschick bei allen Wasserverhältnissen. Damit in Katastrophenfällen Spontanhilfe auf dem Wasser geleistet werden kann, wie z.B. Evakuierung auf Wasserwegen oder Bauen von Ersatzbrücken.
Für die Armee leisten die Wasserfahrer unzählige WK's in Form von vor- und ausserdienstlichen Tätigkeiten. Die Pontoniere und die Wasserfahrer sind bis heute in zwei Vereinen organisiert. Die Regeln und die Philosophie sollen unterschiedlich sein.
Die Zukunft
Das Wasserfahren verliert zunehmend an Mitgliedern. Eine Gruppe von Wasserfahrern, allen voran der technische Direktor des Verbandes, Martin Seiler aus Bern, wollen das ändern. Mit gezielten Massnahmen soll den Regionen Aargau, Bern, Zürich und Basel das Wasserfahren populärer gemacht werden. Martin Seiler will erwirken, dass die Wettkämpfe besser besucht werden und dass sich junge Wasserfahrer für den Sport begeistern – damit das Wasserfahren eine Zukunft hat.
Sendebezug: SRF zwei, sportlounge, 01.09.14 22:20 Uhr