Nathalie von Siebenthals Werdegang könnte als Heimatfilm der 1950er Jahre ins Bild gesetzt werden: Naturverbundenes «Meitschi» schafft dank harter Arbeit und gesunder Schweizer Bergluft den Sprung an die Weltspitze.
«Merci, Papa»
Aber es ist Realität im Jahr 2015. Die 21-Jährige hat im kasachischen Almaty einmal Gold und einmal Bronze an der U23-WM gewonnen, bei der Elite in Falun lief sie auf den unerwarteten 6. Rang im Einzelrennen über 10 km. «Ich habe ein gutes Rennen gezeigt und bin durch das Wetter auch belohnt worden», so die Bernerin im «sportpanorama». Unmittelbar nach dem Exploit hatte ihr «Merci, Papa» die Nation berührt.
Vater Christian ist Von Siebenthals grösster Förderer. Ob Materialbeschaffung, Ski-Wachsen oder Training - immer unterstützte er Nathalies Karriere. Dabei musste allerdings oft improvisiert werden. Angesichts der Verantwortung für einen Landwirtschaftsbetrieb waren lange Anreisen an Trainingslager nicht immer möglich.
Hanteln im Schober
«Wir haben direkt vor dem Haus trainiert», erinnert sich die ältere Schwester Patricia. «Zwar war die Loipe nicht perfekt, das kann aber auch Vorteile haben, etwa für den Gleichgewichtssinn.» Für Kraft- und Konditionstraining müssen Hanteln und aufgestellte Holzpaletten, welche von Siebenthal überspringen musste, auf der Heubühne herhalten.
Obwohl sie als grösste Nachwuchshoffnung gilt, ist Nathalie von Siebenthal auch heute nicht vollständig in den Swiss-Ski-Betrieb integriert: Als gelernte Landwirtin ist sie auf dem heimischen Hof tätig, trainiert individuell und nimmt nur zwischenzeitlich an den offiziellen Trainingslagern teil.
In zwei Jahren an der Weltspitze?
«Wir setzen diesen Weg, auf ihre Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, fort», verspricht Swiss-Ski-Disziplinenchef Hippolyt Kempf. «Wir wünschen uns aber, dass Nathalie häufiger ins Trainingszentrum nach Davos kommt, damit sie von anderen Läuferinnen profitieren kann und umgekehrt.»
Kempf nennt Von Siebenthal einen «Rohdiamanten» und glaubt, dass die Berner Oberländerin mit der Arbeit an «einfachen Fehlern» in den nächsten zwei bis drei Jahren einen «Reifungsprozess» durchmachen könnte. Das sieht auch Von Siebenthal so: «Diese Saison war ein Motivationsschub. Jetzt haben der Sport, vor allem die technische Verbesserung Priorität; die Arbeit auf dem Hof wird wohl etwas in den Hintergrund rücken.»
Sendebezug: SRF zwei, sportpanorama, 1.3.15, 18:10 Uhr