Sie werden wieder brüllen, mit den Füssen stampfen, die Augen weit aufreissen und wild gucken, sich auf Brust, Arme und Beine schlagen. Der berühmte Haka, ein traditioneller Kriegstanz der Maori, ist bei den «All Blacks» immer ein Spektakel. Nur hat die berühmteste Rugby-Mannschaft der Welt mittlerweile ein Problem: Angst und Schrecken verbreitet sie kaum noch.
Wir haben eine Schlacht verloren, aber wir haben noch einen Krieg zu gewinnen.
«Einfach furchtbar», war der Start in die WM, sagte TV-Experte Israel Dagg nach dem historischen 13:27 im Auftaktspiel gegen Gastgeber Frankreich – nie zuvor in der WM-Geschichte hatten die Kiwis ein Spiel in der Vorrunde verloren. Der Schock sitzt immer noch tief, zumal die Fans die historische 7:35-Klatsche gegen den Erzrivalen Südafrika aus der Vorbereitung immer noch nicht verarbeitet haben.
Einst waren die «All Blacks» gefürchtet und schienen unbesiegbar, doch diese Zeiten sind vorbei. Und das Land ist in Aufruhr, Rugby ist in Neuseeland ja nicht einfach nur ein Sport, sondern eine Einstellung, eine Art Religion – und die «All Blacks» sind ein Heiligtum. In der Weltrangliste sind sie auf Rang 4 abgerutscht – auch das gab es noch nie.
Chefcoach massiv in der Kritik
Trainer und Team wissen nicht so recht, wie sie mit der Krise umgehen sollen. «Wir müssen uns zusammenreissen und nach vorne schauen», sagte Flügelspieler Ardie Savea trotzig: «Wir haben eine Schlacht verloren, aber wir haben noch einen Krieg zu gewinnen.» Und Chefcoach Ian Foster, der natürlich längst massiv in der Kritik steht, hält an seinem Ziel fest: «Das Turnier gewinnen.»
Doch in der Heimat wird die Mannschaft schon als «die schlechteste der Geschichte» bezeichnet. Gegen Aussenseiter Namibia am Freitag in Toulouse muss unbedingt ein Sieg her, ein Aus in der Vorrunde ist trotz des wankenden Mythos und einiger Verletzungsprobleme unvorstellbar.
Doch spätestens im Viertelfinal wird wohl Schluss sein, glauben die Experten. Denn dann drohen vermutlich Titelverteidiger Südafrika oder die starken Iren. Dabei zählt für Neuseeland eigentlich nur der Titel.
Ex-Weltmeister-Trainer zurückgeholt
Doch die «All Blacks» haben mittlerweile ihre «Aura verloren», schrieb The Times . Die Aufregung rund um das verunsicherte Team ist riesig, in einer Art Panik-Aktion wurde zuletzt Ex-Cheftrainer Steve Hansen, Weltmeister-Coach von 2015, auf inoffizieller Basis in den Betreuerstab geholt. Das ist in etwa so, als hätte Hansi Flick in seinen letzten Tagen als Bundestrainer Joachim Löw als Berater verpflichtet.
Aber die Spieler freut es. Hansen habe «eine gute, tiefe Verbindung zu vielen Spielern, die er zuvor trainiert hat, das sieht man an den Spielern, dem Lächeln und den Scherzen», sagte Angreifer Dane Coles: «Das hat die Stimmung ein wenig gehoben.» Aber Angst und Schrecken verbreiten sie dennoch nicht.