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Nach Langdistanz-Weltbestzeit Ryf: «Eigentlich das Letzte, was ich noch erreichen wollte»

Daniela Ryf hat am Sonntag beim Langdistanz-Triathlon im bayrischen Roth eine neue Bestmarke (8:08:21 Stunden) aufgestellt. Die 36-jährige Solothurnerin erklärt im Interview, was dieser Meilenstein für sie bedeutet und welche Ziele ihr noch bleiben.

SRF Sport: Daniela Ryf, wie geht es Ihnen zwei Tage nach Ihrer sportlichen Höchstleistung?

Mir geht es sehr gut. Es läuft immer noch ein Film ab und es ist immer noch ein bisschen unfassbar. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ein solch gutes Rennen zeigen kann.

Haben Sie noch daran geglaubt, dass Sie die Weltbestzeit über die Ironman-Distanz aufstellen können?

Ich hatte den Rekord schon lange auf dem Radar. Er bestand ja auch schon 12 Jahre. Dass die Marke von Chrissie Wellington (8:18:13), für welche ich grossen Respekt empfinde, fallen würde, hatte ich vermutet. Doch zweimal bin ich schon beim Versuch gescheitert, sie zu knacken. Nun kam es unerwartet. Das ist umso schöner.

Was bedeutet Ihnen diese Bestmarke?

Sie bedeutet mir sehr, sehr viel. Es ist ein Meilenstein, eigentlich das Letzte, was ich noch erreichen wollte. Auf der Langdistanz habe ich ja alles gewonnen ( u.a. 5 Mal die Ironman-WM, die Red. ).

Die letzten Tage haben gezeigt, dass die Entscheidung richtig war.
Autor: Daniela Ryf über die Rückkehr zu Trainer Brett Sutton

Die Vorbereitung verlief alles andere als perfekt. Womit hatten Sie zu kämpfen?

Vor 6 Wochen habe ich auf Ibiza einen Virus eingefangen, kämpfte bis kurz vor Rapperswil vor zwei Wochen praktisch täglich mit Übelkeit. Das war mental schwierig. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich in Roth starten würde. Als ich das meiner Mutter erzählte, meinte sie, sie habe ihre Ferien schon gebucht. Da kriegte ich ein schlechtes Gewissen, weil es ihr viel bedeutet, mich anzufeuern. Nach Rapperswil ging es dann wieder.

Wie können Sie sich diesen Exploit erklären?

Es war von A bis Z ein perfektes Rennen. Ich war im Winter natürlich nicht untätig, habe sehr viel und gut trainiert. 5 der letzten 6 Monate war ich in St. Moritz und habe mir dort eine Form erarbeitet, die mir nun zu Gute gekommen ist.

Ryfs eindrücklichen Zahlen

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🏊: Den Schwimmteil (3,8 km) absolvierte Ryf in 50:15 Minuten. Die 1500-m-Marke hätte sie damit nach 19:50 Minuten passiert. Zum Vergleich: Katie Ledeckys Weltrekord über die 1500 m (auf der 50-m-Bahn) liegt bei 15:20 Minuten.

🚴‍♀️ Die Radstrecke (180 km, 1200 Höhenmeter) ist vergleichbar mit der 3. Etappe der Tour de France 2022 (182 km, 1285 Hm). Ryf brauchte 4:22:56 Stunden und wäre damit nur 11 Minuten langsamer gewesen als Dylan Groenewegen (NED) bei dessen Etappensieg.

🏃‍♀️ Zum Schluss lief Ryf den Marathon in 2:51:54 Stunden. Sie wäre mit dieser Zeit an der Marathon-SM 2023 in Zürich auf den 5. Rang gelaufen.

(jaw)

War vielleicht gerade der Umstand ausschlaggebend, dass Sie sich nicht unter Druck gesetzt haben?  

Der Druck war sicherlich nicht so gross wie 2017, als ich das Ziel ausgegeben hatte, den Rekord zu brechen. Das kann schon hinderlich sein. Am Sonntag war die Konkurrenz sehr, sehr gross. Ich wusste, die Siegerin würde eine neue Bestmarke erreichen.

Welchen Anteil hat die Rückkehr zu ihrem langjährigen Trainer Brett Sutton, zu dem Sie im Januar dieses Jahres zurückkehrten?

Das hatte sicherlich einen grossen Einfluss. Ich arbeite aus zwei Hauptgründen wieder mit ihm zusammen. Einerseits wünschte ich mir wieder mehr Routine und Struktur, also jeden Tag um 7 Uhr morgens ein Training zu haben. Andererseits war es Hawaii. Mein grosses Ziel bleibt, dort noch einmal zu gewinnen. Die letzten Tage haben gezeigt, dass die Entscheidung richtig war.

Es heisst, Sie und Coach Sutton verlassen sich mehr auf Ihr Gefühl als auf Daten. Stimmt diese Aussage?

Absolut. Nicht jedes Training muss gemessen werden. Ich bin eine der wenigen Athletinnen, die ohne Watt-Zähler unterwegs ist und auch sonst eher wenig misst.

Sie sind 36 Jahre alt, Anne Haug (Zweite in Roth) 40. Magnus Ditlev, der Sieger bei den Männern hingegen ist 25. Ist das Alter ein Faktor oder nicht?

Auf der Langdistanz ist es sicherlich nicht der entscheidende Faktor. Vielleicht brauche ich jetzt etwas mehr Erholung und trainiere nicht mehr so wie früher. Es ist aber beeindruckend zu sehen, wieviel Junge schon sehr stark sind. Magnus Ditlev ( neuer Rekordhalter bei den Männern, die Red. ) und Sam Laidlow sind 25 und 24 Jahre alt. Bei den Frauen sind eher die Athletinnen mittleren Alters dominant.

Sie haben im Nachgang die Langdistanz-Bestzeit als einziges Ziel bezeichnet, das Sie noch hatten. Dann wären Sie ja jetzt eigentlich am Ende Ihrer tollen Karriere angelangt, nicht?

Am Ende der grossen Ziele schon. Ich möchte das jetzt schon sacken lassen und geniessen. Aber ich geniesse es, Rennen zu bestreiten, weil ich nicht muss sondern darf. An der WM im Oktober auf Hawaii will ich sicher starten, denn es könnte dort das letzte Mal für mich sein. Schliesslich findet der Anlass nächstes Jahr in Nizza statt. Ob ich dann 2025 noch Wettkämpfe bestreiten werde, weiss ich noch nicht. Ich möchte einfach fit sein, deshalb schaue ich nicht allzu weit voraus.

Das Gespräch führte Dominik Steinmann.

Radio SRF 1, 25.05.2023, 17:10 Uhr ; 

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