Paris, Wettkampftag 3, Bushaltestelle. Die ältere, abgemagerte Frau ist nur schwer verständlich, doch ich greife schon fast automatisch zu meinen Münzen. Was will sie genau von uns? Als mein Schulfranzösisch sich doch noch einschaltet, wird klar: Sie erklärt uns, dass hier heute unser Bus nicht fährt. Und gibt gleich Instruktionen zur Weiterreise.
Aufgestellt, lustig und immer hilfsbereit: Allen voran die Volunteers haben ihren Job in Paris vortrefflich erfüllt. Die dunkelgrün-türkisene Verkörperung Pariser Höflichkeit. Doch sie sind auch dazu angehalten.
Dass aber Wildfremde im Zug für uns umsitzen, damit wir nebeneinander Platz finden, oder unsere fragenden Blicke an ÖV-Haltestellen mehrfach direkt nützliche Hilfe einholen, ist nicht selbstverständlich.
Die französische Hauptstadt hat sich in dieser Hinsicht von ihrer besten Seite gezeigt.
Paris, Wettkampftag 7, 3x3-Basketball-Arena. Was hat Marie Reichert den französischen Fans nur angetan? Mit einem gellenden Pfeifkonzert wird die deutsche Basketballerin auf dem Platz empfangen. Gleiches gilt wenig später für ihre Teamkolleginnen Elisa Mevius, Sonia Greinacher und Svenja Brunckhorst. Mir wird klar: Sie sind einfach keine Französinnen.
Stimmungstechnisch kann man den Pariser Venues nichts vormachen. Ob Volleyball, Reiten oder Breaking: Das Publikum, geografisch bedingt natürlich mehrheitlich französisch, macht immer Lärm. Allerdings nicht immer den angebrachten.
Dass Basketballerinnen beim Einmarsch und bei jedem Freiwurf ausgebuht werden, nur weil sie gerade gegen Frankreich spielen, ist mehr als fragwürdig und widerspiegelt nicht den olympischen Gedanken.
Solche Szenen wurden zum Glück überstrahlt von der Begeisterung, mit welcher die französischen Fans ihre Athleten anfeuerten – egal wer, wo und wann. Publikumsliebling Léon Marchand brachte während seinen Schwimm-Auftritten regelmässig ganze Stadien anderer Sportarten (!) zum kochen – grossen Leinwänden oder dem kleinen Handy-Bildschirm sei dank.
Paris, Wettkampftag 9, Seitenstrasse. Ich laufe auf einen geparkten Einsatzwagen der Gendarmerie zu, die seitliche Schiebetür des Gefährts ist offen. Ich erhasche einen Blick: Fünf schwerbewaffnete, uniformierte Einsatzkräfte, wohl in ihrer Pause, spielen UNO. Ich gehe amüsiert weiter.
Paris ist mit der Wahl ikonischer Sportstätten an exponierter Lage und der Eröffnungsfeier-Premiere auf einem Fluss ein grosses Risiko eingegangen. Vieles hätte schief gehen können, nichts ist.
Grossen Anteil daran haben die abertausenden Sicherheitskräfte. Auf den ersten Blick in ihrer Präsenz und Montur einschüchternd, sind die Polizisten, Gendarmen und Gardisten stets freundlich unterwegs, lächeln, grüssen und lassen einen die unschönen Gründe ihrer Anwesenheit vergessen.
Was teilweise für ein leicht mulmiges Gefühl sorgt: Meine Zugangsberechtigung wird über die zwei Olympia-Wochen hinweg ohne erkennbaren roten Faden interpretiert. Mal ist beim äussersten Zaun einer Venue Schluss, mal erst in den Wasserpfützen rund um das Schwimmbecken.
Paris, Wettkampftag 12, Medienzentrum Tischtennishalle. Ein Kollege hämmert wie wild auf der Tastatur herum, während eine andere Journalistin nebenan lautstark ihre Nudelsuppe schlürft. Typische Venue-Atmosphäre für Journalisten, erst gewöhnungsbedürftig, mittlerweile Normalität.
Wie ich von meinen erfahreneren Kolleginnen und Kollegen weiss: In punkto Arbeitsbedingungen unterscheidet sich Paris nicht gross von früheren Austragungsstädten. Die journalistischen Privilegien (z.B. blitzschnelle Shuttlebusse auf der speziellen «Paris 2024-Überholspur») sind da, die Hürden (lange Wege bis zu teilweise noch längeren Einlassverfahren) auch.
Neu und erstmals «olympisch» sind die «Influencer Positions» : Nur mit Handykamera bewaffnet ist man (fast) hautnah am Geschehen. Organisatorisch geht noch nicht alles auf, es ist aber ein solider erster Schritt in Richtung des jungen Publikums.