Mit im Schoss zusammengefalteten, leicht zitternden Händen blickt Markus Lehmann gebannt Richtung Kletterwand. Sein Sohn Sascha kämpft sich gerade die olympische Lead-Route im zweiten Teil der Qualifikation hoch.
In der etwas ausserhalb von Paris gelegenen Gemeinde Le Bourget, Austragungsort der Kletter-Bewerbe, schlägt sich der 26-jährige Lehmann gut: Begleitet von den Anfeuerungsrufen seiner Eltern nimmt er die ersten paar «Probleme», wie es im Kletterjargon heisst, mühelos.
«Er klettert schön ruhig», meint Vater Markus nach knapp zwei Minuten zu seiner Ehefrau Franziska neben ihm, seine Anspannung scheint sich etwas zu lösen. Nur zehn Sekunden später dann der Aufschrei: «Nein!» Sascha Lehmann hat einen Griff nicht ganz erwischt und hängt in den Seilen. Der Wettkampf ist für ihn vorbei, die Finalqualifikation verpasst.
Vater Lehmann hat vor 40 Jahren vorgespurt
«Den Final zu erreichen, wäre natürlich eine Überraschung», hat mir Markus Lehmann eine halbe Stunde vor dem Wettkampf gestanden. Sohn Sascha gehört nicht zur absoluten Weltspitze – und hatte zudem am Montag im Boulder-Teil der Qualifikation schlecht vorgelegt.
Er war absolut noch nicht am Limit.
Doch der Vater hofft: «Er hat schon oft gezeigt, dass er im Lead aufholen kann. Es braucht in dieser Olympia-Konkurrenz aber einen Top-Run und auch etwas Glück.»
Markus Lehmann weiss, wovon er spricht. 1984 hatte er die Schweiz selber als Olympionike in Los Angeles vertreten. Nicht in der Kletterwand, sondern an den Turngeräten. «Es ist das grösste Ereignis, das man als Sportler erleben kann», blickt der heute 64-Jährige zurück.
Stärke nicht ausspielen können
40 Jahre später kann er nur hilflos von der Tribüne aus zusehen, wie sein Sohn (zu) früh in der Route scheitert – an einer Stelle, die später noch zu reden gibt. Auch zahlreiche Top-Kletterer meistern diesen Teil nämlich nicht.
«Die Route ist meiner Meinung nach nicht optimal geschraubt», meint Vater Lehmann im Anschluss. «Es wäre auch für das Publikum attraktiver gewesen, wenn mehr Athleten weiter hoch gekommen wären.»
Auch dem konditionell starken Sascha Lehmann kommt die frühe Schwierigkeit in der Lead-Strecke nicht entgegen. «Er war absolut noch nicht am Limit», bekräftigt Markus Lehmann. «Wenn er den Griff bei diesem Abschnitt erwischt hätte, wäre er noch deutlich weiter hoch gekommen, weil anschliessend ein kontrollierbarer Abschnitt kommt.»
Gemäss den Berechnungen des Vaters hätte es zu mindestens 80 Punkten und damit zum Finaleinzug reichen können. «Die Enttäuschung ist dementsprechend gross.»