Nach seinem Bronze- und Gold-Coup an der EM in Rom konnte sich Dominic Lobalu in die Schweizer Fahne hüllen. Sollte der 25-Jährige auch in Paris reüssieren, würde ihm die olympische Flagge zugeworfen werden. Weil Lobalu (noch) keinen Schweizer Pass besitzt, darf er im Zeichen der fünf Ringe nicht für die Schweiz starten, sondern ist Teil des olympischen Flüchtlingsteams (EOR).
Der im Südsudan geborene Lobalu hatte sich 2019 in Genf von eben dieser Flüchtlings-Auswahl abgesetzt, um in der Schweiz Asyl zu beantragen und sich eine eigene Existenz aufzubauen. In der Ostschweiz ist ihm dies gelungen. Lobalu nahm die Einladung für Paris nach Bedenkzeit an, anders hätte er sich seinen Olympia-Traum nicht erfüllen können.
Vom Schweizer Staff betreut
Ob er nun unter der EOR-Flagge oder im Schweizer Dress startet, viel ändert sich in der Praxis nicht. Lobalu wohnt mit dem Schweizer Team im olympischen Dorf, sein erster Ansprechpartner bleibt Trainer Markus Hagmann, die Vorbereitungen fanden in St. Moritz statt, die Akklimatisierung erfolgte in St. Gallen, und auch die Wahl der Disziplin legte er mit Hagmann fest: die 5000 m.
«Viele meinen, Dominic sei wegen der Goldmedaille ein 10'000-Meter-Spezialist. Aber wir haben uns bereits Anfang Jahr auf die 5000 Meter festgelegt», sagt Hagmann. Der Coach betont, für einen 10'000-m-Lauf in Paris hätte Lobalu in den letzten zwei Monaten anders trainieren müssen.
Grosse Konkurrenz mit Ingebrigtsen und Co.
Beim 5000-m-Vorlauf am Mittwochvormittag müsste Lobalu den Cut überstehen, auch dank seiner Endschnelligkeit. Im Final vom Samstagabend aber wird die Luft dünn werden. Europa ist nicht gleich Afrika. Lobalu hatte Ende Mai beim Meeting in Oslo gezielt den Schweizer Rekord ins Visier genommen und diesen auf 12:50,90 Minuten gesenkt. Auf Diamond-League-Stufe in Norwegens Metropole reichte dies zu Platz 7, mit 15 Sekunden Rückstand. Und bei einem taktischen Rennen sind andere Gegner da, allen voran Jakob Ingebrigtsen.
Der 1500-m-Olympiasieger von Tokio will nach zwei Goldmedaillen bei den Weltmeisterschaften erstmals auch bei Olympia über 5000 m triumphieren. Relativ souverän gewann der Norweger bei der WM 2022 und 2023 den Titel. Das dürfte in Paris etwas schwieriger werden.
Jacob Kiplimo aus Uganda und die starken Äthiopier um Landesrekordhalter Hagos Gebrhiwet sind in dieser Saison schon absolute Weltklasse-Zeiten gelaufen. Und auch der Kenianer Jacob Krop sowie der Amerikaner Grant Fisher dürften eine Rolle spielen. Oder sorgt gar der in den USA lebende Guatemalteke Luis Grijalva für eine Überraschung?
Raess: Kurz vor Paris alles über den Haufen geworfen
Mit Jonas Raess geht ein weiterer Swiss-Athletics-Athlet über die 5000 m an den Start. Der 30-jährige Zürcher blickt wie Lobalu auf bewegte letzte Wochen und Monate zurück. Nach Platz 13 über 10’000 m und Platz 16 über 5000 m bei der EM in Rom zog Raess die Reissleine. Der Langstreckenläufer des LC Regensdorf verliess einen Monat vor den Spielen in Paris das Lauf-Team der Schuhfirma «On».
«Ich habe in letzter Zeit gemerkt, dass es nicht mehr gepasst hat in meinem Trainingsumfeld. Ich brauchte neue Reize, die mehr auf mich zugeschnitten sind», erklärt Raess den Schritt. Nach der Vorbereitung in St. Moriz und Zürich mit spezifischem Training unter Hitzebedingungen fühle er sich sehr gut.