Michelle Gisin hatte im vergangenen Weltcup-Winter ordentlich zu beissen. Normalerweise die Konstanz in Person, blieb die 31-Jährige plötzlich drastisch unter den Erwartungen. Lediglich dreimal fuhr Gisin in der letzten Saison in die Top 10, an der WM blieb sie fernab der Auszeichnungen. Zum Vergleich: 2023/24 waren bei der Engelbergerin noch ganze 14 Top-10-Platzierungen zu Buche gestanden.
Die zumeist dürftigen Leistungen führten dazu, dass sie von Swiss-Ski für die nächste Saison vom Nationalkader ins A-Kader zurückgestuft wurde. Gisin nimmt das allerdings gelassen: «Das ist völlig normal. Wenn man nicht mehr in den Top 15 ist, ist man im A-Kader.» Daher sei alles in Ordnung. Viel wichtiger sei für sie, dass sie noch in derselben Trainingsgruppe mittun kann wie bisher und dass sie als Teil der besten 25 der Welt weiterhin gute Startplätze in den Rennen erhält.
Das Wichtigste war, aus dem normalen Rhythmus auszubrechen. Ich kam weg vom Skifahren und vom Trainingsalltag. Das hat gut getan.
Rhythmus durchbrochen
Gisin gibt aber zu, dass sie den letzten Winter schon verarbeiten musste – und dieser Prozess auch noch andauert. Fast ein Jahrzehnt lang fuhr die Allrounderin alle Disziplinen: «Es war immer sehr viel los. Kaum war eine Saison vorbei, startete wieder die neue.» Sie habe sich jeweils nur sehr kurze Ferien gegönnt.
In diesem Jahr war das anders: «Das Wichtigste war, aus dem normalen Rhythmus auszubrechen.» Sie habe nach Saisonende eine längere Pause gemacht und das Krafttraining erst kürzlich wieder aufgenommen. Den Fokus hat sie in dieser Zeit auf den Bau ihres Eigenheims in Engelberg gelegt: «Ich kam weg vom Skifahren und vom Trainingsalltag, von den verrückten letzten 13, 14 Jahren.» Das habe gut getan.
Fokus voll auf Speed
Nun will Gisin mit neuem Elan den Formaufbau in Angriff nehmen. Aufhorchen lässt dabei folgende Aussage: «Ich fokussiere mich jetzt voll auf die Speed-Disziplinen.» Kommt nach der Aufgabe des Slaloms auch das Ende ihrer Riesenslalom-Karriere? Nein, aber: «Ich bin dort nicht mehr in den Top 30. Es kommt daher sehr darauf an, wie es sich mit der Startposition entwickelt.»
Ganz aufgeben könne man den «Riesen» sowieso nie: «Der Riesenslalom ist die absolute Basis. Alles andere kommt dazu.» Wenn sich die Möglichkeit ergebe, werde sie dort daher sicher wieder am Start stehen.
Im Allgemeinen freut sich Gisin aber, nach vielen Jahren in Engelberg wieder ein richtiges Zuhause zu finden und nicht immer unterwegs sein zu müssen: «Ich hätte schon viel früher einsehen sollen, dass vier Disziplinen fast ein Ding der Unmöglichkeit sind.» Sie wisse gar nicht, wie sie das neun Jahre lang geschafft habe. «Jetzt liegt der Fokus auf zwei Disziplinen, das beruhigt alles sehr», sagt Gisin.