Zum Inhalt springen

Weltcup Frauen: 4 Erkenntnisse Die Geduldige, die Unverwüstliche und die Alleskönnerin

Nach je sechs Technik- und Speedrennen ist im Ski-Weltcup der Frauen das Dutzend erreicht. Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen: Wo gab es die grössten Überraschungen, wo liessen sich Trends erkennen? Wer fiel auf, wer ab?

Skifahrerinnen jubeln
Legende: Altes Podest, neue Reihenfolge Wendy Holdener (M.) beweist nach Killington auch in Sestriere, dass sie die Slalom-Königinnen Mikaela Shiffrin (l.) und Petra Vlhova vom Thron stürzen kann. Keystone/EPA/ANDREA SOLERO

Schweizerinnen: In der Spitze breit, in der Breite spitze

Hauchdünn hatte Swiss Ski im Vorjahr den Nationencup Erzrivale Österreich überlassen müssen. Möglich machte dies die immense Kaderbreite bei den Nachbarinnen. Tempi passati, wie es scheint: In 8 von 12 Rennen stand eine Schweizerin auf dem Podest, was sonst nur noch Italien gelang. Ausgerechnet in St. Moritz ging man mit «nur» einem 3. Rang bei 3 Wettbewerben fast leer aus.

Ein Trio, bestehend aus Wendy Holdener, Corinne Suter und Lara Gut-Behrami, teilte die Podiumsbesuche unter sich auf. Die Vorzeichen stehen gut, dass sich weitere Teamkolleginnen dazugesellen werden: 14 Mal resultierten zusätzliche Top-Ten-Ränge, keine andere Nation schaffte mehr.

Holdener: Was lange währt ...

Die ewige Zweite. Die beste Slalomfahrerin, die nie ein Rennen gewonnen hat. Wie ein Damoklesschwert schwebten diese zweifelhaften Auszeichnungen über Wendy Holdeners Karriere. Doch nach 105 Anläufen und 30 Podestplätzen war es in Killington endlich so weit: Erstmals war in einem Weltcup-Slalom niemand schneller als die Schwyzerin (und Anna Swenn-Larsson auf die Hundertstelsekunde gleich schnell).

Der Knoten war geplatzt und um Unkenrufe, die das Bild einer Eintagsfliege bemühen wollten, gar nicht erst aufkommen zu lassen, doppelte Holdener umgehend nach. Auch in Sestriere tanzte sie am schnellsten durch den Stangenwald und durfte sich auch im 107. Slalom-Einsatz zuoberst aufs Treppchen stellen. Diesmal ganz allein.

Shiffrin: Die Qual der Wahl

Eine der meistgestellten Fragen um Weihnachten lautet alljährlich: Was schenkt man jemandem, der alles hat? Und vor jeder Saison muss sich Mikaela Shiffrin fragen: Was fährt eine, die alles kann? Die «Ski-Queen» entschloss sich dazu, in allen Disziplinen zu starten, die drei Speedrennen in Lake Louise jedoch auszulassen.

Das Resultat: Shiffrin war – abgesehen vom für ihre Verhältnisse missratenen Killington-Riesenslalom (13.) – nie schlechter als Sechste. Gewinnen kann sie in jeder Disziplin, zum Slalom-Double in Levi gesellte sich der Super-G-Triumph in St. Moritz. Nach dem 77. Weltcup-Erfolg fehlen der 27-jährigen US-Amerikanerin noch 5 Siege zum Rekord von Landsfrau Lindsey Vonn. Im Kampf um die grosse Kristallkugel führt unter normalen Umständen nichts an Shiffrin vorbei. Das Duell um den Slalom-Weltcup dürfte indes spannender werden. Holdener sei Dank.

So geht es weiter

Box aufklappen Box zuklappen

Sowohl über die Festtage als auch den Jahreswechsel kommt es für die Fahrerinnen zu einer der so willkommenen wie seltenen Rennpausen. Nach dem Super-G vom letzten Sonntag in St. Moritz stehen ab 27. Dezember in Semmering zwei Riesenslaloms und ein Slalom auf dem Programm. Das neue Jahr wird in Zagreb mit zwei weiteren Slaloms lanciert (4./5. Januar).

Die Speed-Spezialistinnen müssen derweil auch beim weihnächtlichen Fondue keine falsche Bescheidenheit an den Tag legen. Der nächste Wettkampf auf den schnellen Ski findet erst wieder am 14. Januar in St. Anton statt.

Goggia: Knochen brechen und Grenzen verschieben

Kein Name im Skizirkus steht derart für eine bestimmte Weise des Rennenfahrens wie jener der Sofia Goggia. Volles Risiko, keine Kompromisse, hasardieren statt taktieren. Das bescherte der Italienerin häufig Erfolg, mitunter aber auch Verletzungen. In St. Moritz kombinierte sie Pro und Kontra ihres Stils. In der ersten Abfahrt auf der Corviglia (die einzige der bisherigen Saison, die sie nicht gewann) touchierte sie eine Torstange, was neben Rang 2 auch einen doppelten Bruch der Mittelhand und in der Folge eine Operation nach sich zog.

Wer schon einmal mit einer Fraktur leben musste, weiss um die Einschränkungen, die Schmerzen bei nahezu jeder kleinen Bewegung. Goggia ihrerseits stand schon am nächsten Tag wieder am Start – und gewann die zweite Abfahrt im Engadin. Anschliessend meinte sie lapidar: «Es war ja nur die Hand.» Wir nutzen die unsere, um vor so viel Stärke den Hut zu ziehen.

SRF zwei, Sportlive, 18.12.2022, 11:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel