Zum Inhalt springen
Die amerikanischen Tennisprofis (im Bild John Isner) befinden sich auf Abwegen.
Legende: Quo vadis, US Tennis? Die amerikanischen Tennisprofis (im Bild John Isner) befinden sich auf Abwegen. Keystone

ATP-Tour Krise im US-Tennis lässt Amerika kalt

Just zu Beginn des ATP-1000-Turniers in Cincinnati hat das amerikanische Männer-Tennis einen historischen Tiefpunkt erreicht. Wer nun gedacht hat, dass die Aufregung in den USA kurz vor dem Grand-Slam-Event in Flushing Meadows gross ist, sieht sich getäuscht.

Erstmals seit Einführung des ATP-Rankings vor 40 Jahren ist kein US-Profi in den Top 20 mehr vertreten. Nach seiner Erstrunden-Niederlage gegen Vaclav Pospisil (Ka) in Montreal war klar, dass sich auch John Isner aus den besten 20 verabschieden wird, zumal er an jenem Turnier im Vorjahr die Halbfinals erreicht hatte.

In der Woche des Turniers in Cincinnati und knapp zwei Wochen vor Beginn der US Open hat die einst so stolze Tennisnation bei den Männern einen weiteren Tiefpunkt erreicht. In Wimbledon hatte es in diesem Jahr kein US-Athlet in die dritte Runde geschafft - die schlechteste Bilanz seit 1912.

USA bei den Frauen und im Doppel top

Während Serena Williams bei den Frauen die Tour fast nach Belieben dominiert und im Doppel die Zwillinge Bob und Mike Bryan seit Jahren das Mass aller Dinge sind, fehlt es bei den Männern an Aushängeschildern. Die Zeiten, als Jimmy Connors, Jim Courier, John McEnroe, Pete Sampras, Andre Agassi oder Andy Roddick an der Weltranglisten-Spitze für Furore gesorgt haben, sind längst vorbei.

Die Männer-Problematik im US-Tennis ist nicht neu. «Es fehlen Helden, denen die Kids nacheifern können und damit unweigerlich auch Qualität in der Breite», meinte denn auch der amerikanische Sportjournalist und Tennisexperte Bud Collins schon vor zwei Jahren gegenüber dem Schweizer Tennis-Magazin Smash .

Probleme in der Nachwuchs-Förderung

Collins ortete die Probleme in den Strukturen im Fördersystem. «Wir verfügen in den USA zwar über renommierte Talentschmieden, wie die von Nick Bollettieri oder von Chris Evert, aber dort trainieren meist nur zahlungskräftige Ausländer. Der Verband bemüht sich zwar mit Millionen von Dollars um die Nachwuchsförderung, konnte aber in den vergangenen Jahren kein Talent bis an die Spitze begleiten», so Collins.

Dies gilt beispielsweise auch für Ryan Harrison. Schon vor Jahren als grosses Talent gefeiert, konnte der 21-Jährige nie den Vorschusslorbeeren gerecht werden und findet sich im Augenblick nur auf Platz 102 des ATP-Rankings wieder. Damit ist er der sechstbeste Amerikaner hinter Isner (Platz 22), Sam Querrey (28), Jack Sock (87), Michael Russell (93) und James Blake (97).

Krise kein Thema

In Amerika selbst wird der Tiefflug mittlerweile ohne jedes Aufheben zur Kenntnis genommen. Weder in den Gazetten noch auf den sozialen Plattformen wurde die Krise gross thematisiert. «Die US-Sportfans wollen offensichtlich einfach hochklassigen Tennissport sehen, egal aus welchem Land die Akteure stammen», liefert Journalist Eric Ebner vom Tennis Channel einen Erklärungsansatz.

Meistgelesene Artikel