Wissen Sie, dass von allen höchstens 30-jährigen Tennisprofis erst drei an allen Grand-Slam-Turnieren im Viertelfinal standen? Da sind zum einen Matteo Berrettini und Jannik Sinner, und zum anderen ist da Karen Chatschanow.
Der 26-jährige Russe fliegt auch an den Australian Open wieder unter dem Radar. Niemand hatte die Nummer 20 der Welt auf der Rechnung. Aber wie schon im Spätsommer an den US Open steht Chatschanow erneut unter den letzten Vier.
Zwar flog er unter dem medialen Radar, schaffte es aber in die Halbfinals. Dazu waren seine Darbietungen nicht unspektakulär. Der 26-Jährige sorgte ausserdem für Aufruhr, weil er jeweils nach den Siegen politische Botschaften auf die Kamera schrieb.
Dabei geht es nicht um den Ukraine-Krieg, sondern um den Zwist zwischen Armenien und Aserbaidschan. Seit Dezember ist die einzige Verbindungsstrasse zur armenisch besiedelten Exklave Berg-Karabach in Aserbaidschan blockiert. Die Abschnürung der Lebensader von Berg-Karabach – einem Gebiet, auf das beide Länder Anspruch erheben – hat gravierende Auswirkungen auf die dortige armenische Bevölkerung.
Beschwerde gegen ihn eingereicht
«Mein Vater, die Mutter, die Grosseltern sind alle Armenier. Ich bin mehr als ein halber Armenier. Und ich unterstütze nur meine Freunde in Jerewan», sagte Chatschanow. Wegen Botschaften wie «Glaubt bis zum Ende daran, bleibt stark» hat der Tennis-Verband von Aserbaidschan bereits Beschwerde eingereicht.
Chatschanow dürfte jedoch nicht aufgeben, um für seine Wurzeln einzustehen – genauso wenig, wie er in Melbourne aufgeben wird. Die letzten fünf Jahre war er hinter den Erwartungen zurückgeblieben, obwohl er 2018 in Paris-Bercy seinen ersten ATP-Titel gleich an einem 1000er-Event gewann, obwohl er es unter die Top 10 schaffte, obwohl er an Olympia 2021 Silber holte, und obwohl er eben an allen Grand-Slam-Turnieren schon mindestens den Viertelfinal erreicht hat.
Jetzt soll es erstmals auch bis in ein Endspiel gehen. Mit dem Halbfinal-Einzug an den US Open im letzten Herbst habe er die Basis für Australien gelegt. Damals in Flushing Meadows hätten alle davon gesprochen, dass wohl Nick Kyrgios bereit sei für den grossen Coup. Dann aber schlug Chatschanow den Australier in fünf Sätzen. «Und das war es dann auch für mich», so Chatschanow.
An den US Open dazu gelernt
«Die Partie endete um halb zwei in der Nacht. Ins Bett kam ich erst um fünf. Und so kannst du deine Chancen gleich vergessen. Ernährung und Regeneration sind an einem Slam zu wichtig, als dass man sich mitten im Turnier erlauben könnte, eine Nacht durchzumachen.»
Chatschanow ging dann im Halbfinal in vier Sätzen gegen Casper Ruud unter. «Aber jetzt ist alles anders: Mittlerweile weiss ich, dass ich auch auf höchster Stufe bestehen kann. An den Australian Open verbrauchte ich noch nicht zu viel Energie. Ich kann den Halbfinal selber kaum erwarten», sagt der 26-Jährige. In der Nacht auf Freitag erwartet ihn die schwierige Aufgabe gegen die Weltnummer 4 Stefanos Tsitsipas (live bei SRF).