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Nach 22. Grand-Slam-Sieg Novak Djokovic: «Das ist der grösste Titel meiner Karriere»

Djokovic zog mit seinem 22. Major-Titel mit Rekordhalter Rafael Nadal gleich – die «GOAT»-Diskussion ist neu lanciert. SRF-Kommentator Manuel Köng und Experte Michel Kratochvil erklären, weshalb dabei nicht allein die Anzahl Titel zählen.

Erst der Zeigefinger an den Kopf, dann auf die Brust: Novak Djokovics Jubelpose nach seinem vollendeten 22. Grand-Slam-Triumph war ein Statement. Eine Geste, mit der er wohl sagen wollte: «Seht her, ich habe mir das erkämpft. Mit Verstand und Herz.»

Dass Djokovic der «König des Mentalen» im Männertennis ist, ist nicht erst seit seinem jüngsten Sieg an den Australien Open bekannt. So schien er heuer gar aus seiner Ausweisung aus Australien vor einem Jahr Kraft zu schöpfen. «Er ist am besten, wenn er das Gefühl hat, gegen die ganze Welt kämpfen zu müssen. Dieses Gefühl konnte er wieder heraufbeschwören», analysiert SRF-Kommentator Manuel Köng.

Ein völlig neues Bild bot sich allerdings, als der Serbe nach dem Sieg in seine Box kletterte und von den Emotionen überwältigt zusammenbrach. Seine Mutter und sein Team beugten sich besorgt über Djokovic, küssten und streichelten ihn, als er sich langsam wieder berappelte.

An der Siegerehrung nannte er den Sieg, mit dem er in Sachen Grand-Slam-Titel mit Rafael Nadal gleichzog, seinen grössten. «Ich bin zusammengebrochen, weil sich die Last auf meinen Schultern plötzlich gelöst hat. Für mich war es eines der kompliziertesten Turniere», erklärte Djokovic.

Es ist wahrscheinlich, dass er zahlenmässig als Bester in die Geschichtsbücher eingehen wird. Aber für die Fans? ‹Fragezeichen›.
Autor: Michel Kratochvil Tennisexperte SRF

Im Alter von 35 Jahren und 252 Tagen ist Djokovic damit wieder die Nummer 1. Und das, obwohl er in den letzten zwölf Monaten wegen seiner Impfverweigerung fünf der grössten Turniere verpasste. An den Australian Open baute er seinen Rekord mit dem 10. Titel weiter aus, in der Profi-Ära ist er nach Ken Rosewall (1971 und 1972) und Roger Federer (2018) der drittälteste Sieger.

«GOAT»-Diskussion neu lanciert

Federer, Nadal oder Djokovic – wer ist der beste Tennisspieler aller Zeiten? Damit beschäftigen sich die Tennisexperten seit Jahren, eine abschliessende Antwort auf diese Frage gibt es nicht.

Köng zieht hierfür nicht nur die Anzahl Titel, sondern auch die Persönlichkeit eines Spielers als Massstab heran: «Es geht auch um die Ausstrahlung. Federer und Nadal haben mit ihrem demütigen Auftreten weltweit eine enorme Popularität erreicht, trotz Starstatus haben sie sich nie unhöflich verhalten. Djokovic hat diesen Anspruch wahrscheinlich nicht, für ihn zählen vor allem die Erfolge.»

Novak Djokovic.
Legende: Nicht für alle der «Sieger der Herzen» Novak Djokovic. Getty Images / Clive Brunskill

SRF-Tennisexperte Kratochvil teilt Köngs Auffassung und prophezeit dem Serben eine Zukunft, in der er den Thron mit niemandem mehr teilen muss: «Es ist wahrscheinlich, dass er zahlenmässig in die Geschichtsbücher eingehen wird. Aber für die Fans? ‹Fragezeichen›.» Djokovic, der in Melbourne nun bei 28 Siegen de suite steht, kündigte an, dass es nicht sein letzter wichtiger Titel bleiben soll: «Ich habe grosse Träume und mache natürlich weiter.»

SRF info, Sportlive, 29.01.2023, 09:30 Uhr ; 

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