Blickt man auf die Resultate von Carlos Alcaraz in den vergangenen 5 Monaten, ist es kaum zu glauben, dass der Spanier in der laufenden Saison zwischenzeitlich an einem dunklen Ort war, wie er selbst zugibt: «Man kann sagen, dass ich in Miami meinen Tiefpunkt erreicht habe», gestand Alcaraz nach seinem Triumph an den US Open.
22. März: Der Tag, der alles veränderte
Die Erstrunden-Niederlage am ATP-1000-Turnier im Bundestaat Florida gegen den Belgier David Goffin war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Alcaraz räumt ein, dass ihn der grosse Druck von aussen in dieser Zeit überforderte. Es war die Phase, in der sein grösster Rivale und die Nummer 1, Jannik Sinner, aufgrund der Doping-Sperre fehlte. Alle erwarteten von Alcaraz, Boden auf den Italiener gutzumachen.
Ich musste stoppen, zur Ruhe kommen und herausfinden, was los war. Es sind die schlechten Momente, von denen man am meisten lernt.
Der 22. März, der Tag der Niederlage gegen Goffin, markierte den Wendepunkt in der Saison des Spaniers. Alcaraz entschied sich, eine Pause zu nehmen. Er «flüchtete» mit seiner Familie nach Mexiko in die Ferien und schottete sich, so gut es in seiner Position eben geht, von der Öffentlichkeit ab. «Ich habe in dieser Zeit über vieles nachgedacht und alles in Perspektive gesetzt. Die Tage haben mir sehr gutgetan. Ich habe die Lust am Tennis wieder entdeckt», so Alcaraz.
8 Turniere, 8 Finals, 6 Titel
«Carlitos» kehrte wie verwandelt auf die Tour zurück, wirkte mit sich im Reinen und fand die von seinen Kontrahenten so gefürchtete Spielfreude wieder. Das Resultat ist verblüffend: Seit dem Wendepunkt in Miami bestritt Alcaraz 8 Turniere, in allen stiess er bis in den Final vor und in 6 Fällen sicherte er sich die Trophäe.
6 ist auch die Anzahl Grand-Slam-Titel, die Alcaraz nun auf dem Konto hat. Erreicht hat er diese Marke im Alter von 22 Jahren und 125 Tagen. Nur Björn Borg, der seine Karriere nach 11 Major-Titeln bereits mit 26 Jahren beendete, war noch früher 6-facher Grand-Slam-Champion (22 Jahre und 32 Tage).
Die «Big 3» hingegen sticht Alcaraz in dieser Statistik allesamt aus. Am nächsten kommt ihm noch Landsmann Rafael Nadal, der seinen 6. Grand-Slam-Titel mit 22 Jahren und 243 Tagen feierte. Roger Federer (24 Jahre, 1 Monat) und Novak Djokovic (25 Jahre, 8 Monate) liegen deutlicher zurück.
Auf den (Überhol-)Spuren der Grössten
Mit seinem 2. US-Open-Triumph tritt Alcaraz zudem in einen illustren Kreis ein von Spielern, die 2 oder mehr Major-Turniersiege auf 3 verschiedenen Unterlagen gewinnen konnten. Vor dem Mann aus Murcia schafften dies nur Mats Wilander, Nadal und Djokovic. Alcaraz hat nun sowohl an den French Open (Sand) als auch in Wimbledon (Rasen) und den US Open (Hartplatz) je 2 Mal triumphiert.
Hamstert Alcaraz weiter in dieser Kadenz Grand-Slam-Titel, wird sein Name immer (noch) öfters in Verbindung gebracht werden mit den Allzeit-Grössten des Tennissports. Und sollte er mental doch wieder einmal an einen dunklen Ort geraten, weiss Alcaraz nun ja, wie er da wieder rauskommt.