Die Zweifel waren da gewesen, auch bei Rafael Nadal selbst. «Ich habe niemals daran geglaubt, im Alter von 36 Jahren noch wettbewerbsfähig zu sein», sagte der Spanier auf dem Court Philippe Chatrier. Doch nur Minuten zuvor hatte er zum 14. Mal den Final in Roland Garros gewonnen und durfte zum insgesamt 22. Mal eine Grand-Slam-Trophäe herzen.
Einmal mehr hatte Nadal trotz vielen Zweiflern, eigenen Bedenken sowie seiner Fussverletzung bewiesen, dass er eben immer noch der König der French Open ist. «Es ist für mich kaum möglich, meine Gefühle zu beschreiben. Hier in meinem Alter noch einmal das Turnier zu gewinnen, das mir alles bedeutet, ist unglaublich», sagte er.
Danach spannte er die Fans in seiner Siegerrede auf die Folter – und sprach dann doch die Worte aus, die alle hören wollten. Rücktritt? Nein. «Ich weiss nicht, was in der Zukunft passiert, aber ich werde weiterkämpfen», sagte der Spanier und liess damit die Tennis-Welt aufatmen.
Ich bin nicht das erste Final-Opfer von Nadal.
In einem Alter, in dem ihn bis vor wenigen Jahren viele bereits im Ruhestand sahen, gewann Nadal heuer mit den Australian Open und den French Open zum ersten Mal die ersten beiden Grand-Slam-Turniere des Jahres. Und angesichts der Widerstände, die der Mallorquiner in den letzten Wochen und Monaten zu überwinden hatte, geniessen die jüngsten Erfolge einen besonders hohen Stellenwert.
Ende des letzten und Anfang dieses Jahres setzten ihn die Folgen einer Corona-Erkrankung zu, im März erlitt er einen Ermüdungsbruch an einer Rippe, und vor und während den French Open bereitete ihm das altbekannte Müller-Weiss-Syndrom starke Schmerzen. Die Blessur am linken Fuss ist inzwischen so ausgeprägt, dass er auch im Alltag chronisch leidet. Während des Turniers hatte er deshalb mehrmals gesagt, dass dies sein letzter Auftritt in Roland Garros sein könnte. Sein Trainer Carlos Moya meinte: «Was ich in Australien dieses Jahr gesehen habe, war über allem anderen. Aber was ich hier sehe: Das ist eine noch grössere Widerstandsfähigkeit.»
Im Vergleich zum hochstehenden Viersatzsieg gegen Novak Djokovic im Viertelfinal und dem Finaleinzug gegen Alexander Zverev aufgrund einer Verletzung des Deutschen traf Nadal bei seinem letzten Schritt zum 14. Triumph indes nicht auf den härtesten Widerstand. Gegner Casper Ruud, der als erster Norweger überhaupt im Endspiel eines Major-Turniers stand, konnte schlicht nicht mithalten.
«Heute habe ich zu spüren bekommen, wie es ist, gegen dich hier in einem Final zu spielen», sagte der 23-Jährige. «Es ist nicht einfach, und ich bin nicht das erste Opfer. Wir hoffen alle, dass du noch einige Zeit weitermachst.»
Diese Hoffnungen will Nadal noch einige Zeit erfüllen. Die Triumphe des 36-Jährigen sprechen sowieso für sich. Er steht nun bei 22 Grand-Slam-Titeln und führt die Bestenliste damit zum ersten Mal mit zwei Längen Vorsprung vor Roger Federer und Novak Djokovic an. Nur sein Fuss könnte der Erfolgsgeschichte des Rafael Nadal ein Ende bereiten.