Schon am Morgen nach seinem Aus bei den Australian Open am Dienstag hatte Alexander Zverev (ATP 7) die Enttäuschung verdrängt. «Zurück in den Kampf» sei dessen Motto nach dem Aufstehen gewesen, berichtete Bruder Mischa bei Eurosport – aber es stellt sich die Frage: Wo sollen die Kämpfe in den kommenden Wochen überhaupt stattfinden?
Je nachdem, welchen Pass du hast, darfst du in einige Länder vielleicht überhaupt nicht reisen
Zwar hat sich Zverev für das Turnier im mexikanischen Acapulco Anfang März angemeldet, doch nach eigener Aussage ist genau das derzeit eigentlich vollkommener Unsinn.
Reisen wird nicht einfacher
«Wir können momentan keine herumreisende Tour haben», sagte der 23-Jährige nach seiner Viertelfinal-Niederlage gegen Novak Djokovic, schliesslich ziehen viele Länder in der Pandemie gerade die Mauern hoch und verhängen strenge Einreisebeschränkungen.
«Je nachdem, welchen Pass du hast, darfst du in einige Länder vielleicht überhaupt nicht reisen», sagte Zverev. Und das sei nicht das einzige Problem. «Es werden weiter Verletzungen passieren», meinte der Weltranglisten-7.
Mit diesen Befürchtungen ist Zverev, der in Melbourne von Bauchmuskelbeschwerden geplagt war, nicht allein. Die Flut an Verletzungen ist erschreckend – und da sich Djokovic als Nummer eins der Welt auch als Sprachrohr im Tenniszirkus versteht, schlug er ebenfalls Alarm. «Was wir hier sehen, ist nicht normal», mahnte der 17-fache Grand-Slam-Champion.
Haufenweise Verletzungen
Für Djokovic liegt der Grund auf der Hand: die zweiwöchige Quarantäne vor Turnierbeginn. «Offensichtlich hat es etwas mit den Umständen zu tun, denen wir ausgesetzt waren», sagte der Melbourne-Rekordchampion: «Dass wir ein Major und noch ein Turnier direkt nach 14 Tagen Quarantäne spielen.»
Ich habe mit vielen Spielern gesprochen. Die Mehrheit will nicht weitermachen, wenn wir vor den meisten Turnieren in Quarantäne müssen.
Bei den Australian Open gab es kaum einen Spitzenspieler, der nicht über Blessuren klagte.
- Bei Djokovic und Zverev zwickten wie auch bei Matteo Berrettini (ATP 10) die Bauchmuskeln. Der Italiener konnte deshalb nicht zu seinem Achtelfinal antreten.
- Dominic Thiem (ATP 3) war gegen Grigor Dimitrov im Achtelfinal derart beeinträchtigt, dass er den Schlusssatz mit 0:6 abgab. Um welche Verletzung es sich handelte, wollte er nicht verraten.
- Dimitrov (ATP 21) selber konnte sich vor seinem Viertelfinal gegen Aslan Karazew wegen Rückenproblemen «nicht mal mehr die Socken anziehen».
- Und auch Rafael Nadal (ATP 2) klagte ungeachtet seiner Erfolge schon im Vorfeld der Australian Open über Rückenbeschwerden.
Reist der Tenniszirkus wie gewohnt munter von Turnier zu Turnier rund um den Globus, drohen aufgrund derzeitiger Reiserestriktionen auch in anderen Ländern Quarantäne-Bedingungen wie «down under» – ein Horrorszenario für die Profis.
«Ich habe mit vielen Spielern gesprochen. Die Mehrheit will nicht weitermachen, wenn wir vor den meisten Turnieren in Quarantäne müssen», erzählte Djokovic. Vor den Australian Open hätten die Spieler dies auch wegen der hohen Preisgelder gerne in Kauf genommen – bei kleineren Turnieren sähe dies laut Djokovic anders aus.
Auch Federers Comeback betroffen?
Anfang März stehen unter anderem Turniere in Rotterdam, Buenos Aires, Doha – wo Roger Federer sein langersehntes Comeback geben will – oder eben Acapulco auf dem Programm. Zverev schwebt aber eine andere Idee vor: «Vielleicht sollte die ATP überlegen, wie hier mehrere Turniere über mehrere Wochen am gleichen Ort zu spielen.»
Djokovic erinnerte dabei an die nordamerikanische Basketball-Profiliga NBA, die ihre vergangene Saison in Disney World in Orlando zu Ende gespielt hatte. «Wir müssen über Optionen diskutieren», sagte er: «Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie wir damit umgehen werden. Aber wir müssen das sehr schnell angehen.»