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Toni Nadal im Interview «Jeder Coach träumt davon, einmal Roger Federer zu trainieren»

Toni Nadal, Onkel und Ex-Trainer von Rafael Nadal, spricht im Interview über falsche Prognosen und die Zeit nach den «Big 3».

Toni Nadal, wie fühlt es sich an, als Coach zurück in Paris zu sein?

Toni Nadal: Es ist immer speziell und sehr schön für mich, hierher zurückzukehren. Die Situation ist in diesem Jahr natürlich eine andere. Viele Jahre war ich mit Rafa hier, diesmal komme ich mit Félix (Auger-Aliassime, Anm. d. Red) .

War es eine einfache Entscheidung, einen anderen Spieler als Rafael zu trainieren?

Ich habe nie daran gedacht, einen anderen Spieler zu coachen. Die Situation mit Rafa war speziell. Ich habe ihn trainiert, seit er 3 oder 4 Jahre alt war. Er war in erster Linie immer mein Neffe. Das hatte auch seine Vorteile: Ich kannte ihn in- und auswendig und wusste, was gut für ihn ist und wie viel ich ihm zumuten kann. Mit einem anderen Spieler ist das nicht ganz so natürlich, aber ich kann mich glücklich schätzen, mit einem Athleten wie Félix zusammenzuarbeiten. Er hat grosses Potenzial.

Ich bin mir sicher, dass Roger meine Hilfe nicht braucht.
Autor: Toni Nadal über eine mögliche Anfrage von Roger Federer

Wenn nicht Auger-Aliassime, sondern Roger Federer in Ihre Academy gekommen wäre und gesagt hätte: ‹Toni, ich brauche deine Hilfe!› – was hätten Sie geantwortet?

Er würde niemals zu mir kommen (lacht). Er ist so gut, er braucht keine Hilfe. Aber es ist klar: Es würde für jeden Coach ein Traum in Erfüllung gehen, einmal Roger Federer zu trainieren. Er ist einer der besten Tennisspieler der Geschichte, wenn nicht der beste. Aber ich bin mir sicher, dass er meine Hilfe nicht braucht (lacht).

Waren Sie überrascht, als Roger Federer seine Zusage für die French Open gab?

Nein. Ich weiss, wie sehr sich Roger noch dem Tennissport verschrieben hat. Und es ist klar, dass die besten Spieler auch die grössten Turniere spielen möchten. Er weiss natürlich, dass er bessere Chancen hat, Wimbledon zu gewinnen. Er braucht aber Spielpraxis, er hat in den letzten zwei Jahren kaum gespielt.

Roger ist in der gleichen Tableauhälfte wie Nadal und Djokovic. Das hat es bei einem Grand-Slam-Turnier noch nie gegeben.

Ich habe als Erstes natürlich die Auslosung von Félix angeschaut, danach diejenige von Rafael. Ich habe gesehen, dass Djokovic und Federer auch in der gleichen Hälfte sind. Djokovic ist die Nummer 1 der Welt, Rafael die Nummer 3 – da kann das passieren.

Sind Sie der Meinung, dass Ihr Neffe bei den French Open aufgrund seiner langjährigen Erfolgsgeschichte höher gesetzt sein müsste?

So sind die Regeln nun einmal. Wären sie so wie in Wimbledon, wäre er an Nummer 1 gesetzt. Es gibt da kein richtig oder falsch, es haben beide Setzregeln ihre Berechtigung.

Rafael wurde schon früh eine kurze Karriere vorausgesagt. Immer wieder hiess es, er würde Raubbau an seinem Körper betreiben. Er wird in Kürze 35 Jahre alt und spielt so gut wie eh und je. Sind Sie manchmal selbst erstaunt?

Ich erinnere mich noch genau, das war vor vielen, vielen Jahren. Ein ehemaliger Spieler sagte voraus, dass Rafael eine kurze Karriere haben würde. Die Journalisten haben mich dann gefragt, was ich dazu zu sagen hätte. Ich schmunzelte und erwiderte: ‹Ich hoffe, er hat Unrecht.›

Rafael, Federer und Djokovic möchten alle ihre Karriere mit dem Grand-Slam-Rekord beenden.
Autor: Toni Nadal

Sie sollten Recht behalten.

Wissen Sie, die Wahrheit ist: Rafael gehört seit 2005 zu den besten Spielern der Welt, das sind mittlerweile über 16 Jahre. Ich glaube, er muss jetzt niemandem mehr etwas beweisen (schmunzelt). Das gilt übrigens nicht nur für Rafael, sondern auch für Federer und Djokovic.

Erstaunt es Sie, dass die «Big 3» trotz ihres fortgeschrittenen Alters immer noch ganz vorne dabei sind?

Nein, überhaupt nicht. Ich denke, es gibt zwei Hauptgründe, weshalb sie noch so gut sind. Einerseits möchten alle ihre Karriere mit dem Grand-Slam-Rekord beenden. Dazu kommt, dass sie immer noch praktisch jedes Turnier gewinnen können. Wäre das nicht mehr der Fall, würden Sie nicht mehr spielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Roger Federer weitermacht, wenn er nicht mehr um die grossen Titel mitspielen kann.

Können Sie sich den Tennissport nach dem Rücktritt von Federer, Nadal und Djokovic vorstellen?

Auf jeden Fall! Vor den «Big 3» gab es ja auch Björn Borg, John McEnroe und Jimmy Connors. Danach kamen Pete Sampras, Andre Agassi, Ivan Lendl und Boris Becker. Ich bin sicher, dass nach der Ära von Rafael, Djokovic und Federer wieder sehr gute Spieler kommen werden. Grand-Slam-Champions werden schliesslich jedes Jahr gekürt, egal, wer spielt. Aber etwas muss ich dazu noch sagen.

Nur zu!

Es wird schon schwierig werden, diese Ära zu toppen. Als Beispiel: Borg, Connors und McEnroe gewannen zusammen 26 Grand-Slam-Titel. Und dann kommen Federer, Rafael und Djokovic und gewinnen bis jetzt 58 Majors – das ist mehr als doppelt so viel. Das wird schon nicht einfach (lacht).

Zur Person

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Toni Nadal ist der Onkel des 20-fachen Grand-Slam-Champions Rafael Nadal. Der 60-Jährige trainierte seinen Neffen bis Ende 2017. Fortan kümmerte er sich um die Rafa Nadal Academy in Mallorca. Seit März betreut Toni Nadal den 20-jährigen Kanadier Félix Auger-Aliassime (ATP 21).

Ihr Neffe spielt in Paris um seinen 14. Roland-Garros-Titel. Eine unfassbare Zahl …

Das ist für mich schlicht unglaublich. Ich wuchs mit den Titeln von Björn Borg auf. Er gewann die French Open 6 Mal, das war für mich damals schon nicht von dieser Welt. 13 Mal hier zu gewinnen – ich kann mich nur wiederholen, das ist unglaublich. Es bedeutet, dass du 13 Mal der Beste warst. Es kann immer wieder passieren, dass man einen schlechten Tag einzieht oder vielleicht leicht verletzt ist. Trotzdem so oft zu gewinnen, ist – Sie wissen, was jetzt kommt – unglaublich.

Wie sehen Sie die Ausgangslage in diesem Jahr?

Es wird für Rafael mit jedem Jahr schwieriger, das Turnier zu gewinnen. Aber er hat in Rom zuletzt drei richtig gute Matches gespielt, das wird ihm viel Selbstvertrauen geben. Für mich hat er die besten Chancen, wir haben es in den eigenen Händen. Nein, entschuldigen Sie, er hat es in den eigenen Händen (lächelt).

Das Gespräch führte Svenja Mastroberardino

SRF zwei, sportflash, 27.5.21, 22:30 Uhr

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