Wer heute als Journalist in Wimbledon arbeitet, kann aus dem Vollen schöpfen: Jeder Arbeitsplatz ist mit einem Screen ausgestattet, der sämtliche Plätze abdeckt. Sucht man nach Informationen zu einem bestimmten Match, wird man beim ATP- oder WTA-Desk fündig.
Ein Koffer voller Bücher
Es sind Dinge, die heute selbstverständlich sind. «Früher hat man am Arbeitsplatz im Pressezentrum nicht mitbekommen, was draussen auf den Courts abgeht», erzählt Steve Flink. Der Journalist gehört in Wimbledon quasi zum Inventar. Zum insgesamt 51. Mal ist er mit von der Partie.
Es gab damals noch keine Computer, also war ich der Computer.
In den 70er Jahren entwickelte sich Flink zu einem der führenden Statistiker in der Tennisszene. Oder um es in seinen Worten zu formulieren: «Es gab damals noch keine Computer, also war ich der Computer.»
Der New Yorker schleppte jeweils eine Tasche mit Jahresbüchern rund um den Globus und legte sich – nicht zuletzt dank seines fotografischen Gedächtnisses – ein Archiv an, auf das viele renommierte Medienhäuser zurückgriffen.
Kein Mensch auf dieser Welt weiss mehr übers Tennis als Steve.
Keine Berührungsängste
War er sich bei einer Statistik für einmal nicht sicher, so fragte er kurzerhand beim Spieler selbst nach. Vor dem Wimbledon-Halbfinal 1977 zwischen Björn Borg und Vitas Gerulaitis suchte er den Amerikaner im Hotel auf. «Ich habe Vitas gebeten, meine Head-to-Head-Liste zu überprüfen und mir zu sagen, ob eine Partie fehlt. Er schaute mich völlig perplex an und sagte: ‹Du bist ein verdammter Computer!›», erinnert sich Flink.
Wie gross der Respekt der Spieler gegenüber dem «Zahlen-Guru» ist, beweist auch folgende Episode: Mitten im Gespräch läuft die 18-fache Grand-Slam-Siegerin Chris Evert vorbei.
«Glauben sie ihm kein Wort», scherzt die Amerikanerin und gesellt sich spontan dazu. Sie kommt sofort ins Schwärmen. «Kein Mensch auf dieser Welt weiss mehr übers Tennis als Steve. Er hat mich in meinen Pressekonferenzen immer wieder korrigiert, weil ich keinen blassen Schimmer von meinen Statistiken hatte», lacht die ehemalige Weltranglisten-Erste.
So ungezwungen der Umgang mit den Stars von damals war, so kompliziert ist es mittlerweile geworden. «Als ich anfing, gab es keine Barrieren. Wenn ich etwas von Arthur Ashe wissen wollte, dann fragte ich ihn einfach», blickt der Historiker zurück. «Irgendwann sind dann die Agenten hinzugekommen, welche die Spieler vor allem schützen wollen.»
All die Veränderungen im Laufe der Zeit haben dem Enthusiasmus Flinks aber nichts anhaben können. Er ist nach wie vor mit Leidenschaft dabei. Und wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, wird er auch 2019 wieder in Wimbledon sein – zum 52. Mal.
Wie Flink Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic als Interview-Partner wahrnimmt, erfahren Sie im Video:
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 09.07.18, 14:00 Uhr