Es hatte Daniil Medwedew so richtig genervt, dass sich das Publikum in seinem US-Open-Sechzehntelfinal auf die Seite von Sympathieträger Feliciano Lopez schlug. Die rüpelhaften Reaktionen des Russen: Schlägerwurf, Mittelfinger, Handtuch-Gate, vor Sarkasmus triefendes Interview.
Anschliessend gab sich Medwedew reumütig, er müsse an sich arbeiten, sich bessern. Der Achtelfinal gegen Dominik Koepfer enttarnte die Worte als blosses Lippenbekenntnis. Wieder legte sich der 23-Jährige mit den Zuschauern an: «Ihr habt mir so viel Energie geschenkt», spottete er in Richtung der nun noch lauter buhenden Menge.
Es bestehen also kaum Zweifel, auf wessen Seite die Zuschauer im 2. Duell zwischen Medwedew und dem in New York äusserst populären Stan Wawrinka sein werden. Zweifel hingegen gibt es um Medwedews körperlichen Zustand. Er sprach von Schmerzen an Schulter und Adduktoren und agierte gerade zu Beginn der Partie gegen Qualifikant Koepfer alles andere als unwiderstehlich.
Angesichts dieser Eskapaden droht in den Hintergrund zu geraten, wie talentiert der Moskauer eigentlich ist. Die erste russische Weltnummer 5 seit 9 Jahren (Nikolai Dawydenko) gewann in diesem Jahr 2 Turniere, darunter den ATP-1000-Event in Cincinnati, und stand in 4 weiteren Endspielen.
Zudem verfügt der returnstarke Hüne über Stehaufmännchen-Qualitäten und taktisches Geschick. Als bestes Beispiel dient der Cincinnati-Halbfinal, als er gegen Novak Djokovic nach Satzrückstand die Marschrichtung umstellte, sich reinbiss und die Partie noch gewann. Kein Wunder: «Medved» (медведь) lässt sich mit «Bär» übersetzen.
Revanche für Wimbledon?
Wawrinka musste sich dem «Bären» bislang erst einmal stellen. 2017 unterlag der Romand dem Youngster in der 1. Wimbledon-Runde in 4 Sätzen. Gerade zur Revanche scheint die Formkurve von «Stan the Man» nahezu senkrecht nach oben zu zeigen.
«Er zeigt supergutes Tennis, spielte Final um Final dieses Jahr. Ein grossartiger Athlet», zollte Wawrinka seinem nächsten Gegner Respekt. Er freue sich auf die Partie, denn: «Für genau solche Spiele trainiere ich.»
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 02.09.2019, 02:45 Uhr