Selbst wenn sich der Sommer von seiner besten Seite zeigen sollte, darf man davon ausgehen, dass auf dem Gerlisberg mindestens ein TV-Gerät ziemlich heiss läuft. Denn im beschaulichen Weiler in Kloten wohnen die Eltern von Joana und Adrian Heidrich. Die Geschwister vertreten die Schweiz an den Olympischen Spielen im Beachvolleyball.
Hatte Joana an der Seite von Anouk Vergé-Dépré längst das Tokio-Ticket gebucht, gelang das ihrem Bruder erst bei letztmöglicher Gelegenheit. Ein Sieg mit Mirco Gerson am Continental Cup in Den Haag Ende Juni stiess die olympische Türe doch noch auf. Erstmals seit 2012 in London sind die Schweizer Männer damit an einem olympischen Turnier vertreten.
Der 2,07 m grosse Blocker Heidrich hofft, den Schwung mitnehmen zu können. Er mahnt aber auch: «Wir müssen gegen die Erleichterung, die Qualifikation noch geschafft zu haben, ankämpfen.» Die Kulisse stimmt, der Zürcher schwärmt: «Der Center Court ist wunderschön. Sorry Gstaad, aber es ist das schönste Stadion, das ich je gesehen habe.»
Ein Hindernis hingegen ist das Klima. Er sei ein Athlet, der generell schnell und viel schwitze. «Die Hitze ist auch ein mentaler Faktor. Wenn der Körper schneller müde wird, wird es im Kopf schwieriger, den Satz ‹durchzustieren›», erklärt Heidrich.
Ins Schwitzen kommt sein Partner Gerson eher beim Gedanken an die Gegner im «Pool of Death», wie er ihre Gruppe C nennt. Gleich zum Start am Sonntag um 10 Uhr Schweizer Zeit warten Cherif/Ahmed. Das katarische Duo liegt auf Rang 2 der Weltrangliste. Heidrich/Gerson sind auf Platz 15 und damit unmittelbar vor den italienischen Kontrahenten Carambula/Rossi.
Im 2. Spiel am Mittwoch dürfen die Schweizer auf Abstimmungsprobleme bei Gegner USA, eigentlich Nummer 4 der Welt, hoffen. Jake Gibb muss spontan mit Jake Bourne antreten. Der eigentliche Partner Taylor Crabb fällt wegen Corona aus. Speziell: Bourne bildet normalerweise ein Duo mit Crabbs Bruder Trevor.
Trotz der nicht einfachen Losung sind sich Heidrich und Gerson einig: Der Einzug in die K.o.-Phase ist das Ziel. «‹Dabei sein ist alles› genügt uns nicht», betont, der 1,84 m grosse Defensivspieler aus Belp. Sich auf das Turnier zu konzentrieren sollte dabei nicht schwerfallen. Weder kulturelle Ausflüge noch Einfluss durch ein euphorisiertes Publikum sind Faktoren, wie das Duo wehmütig bemerkt. Corona macht's möglich. Die Realität ist, wie auf der Tour, das auf drei Stationen begrenzte Bubble-Leben: Hotel - Kraftraum - Sandplatz – und wieder zurück.
Motivationsprobleme wird «Team Switzerland» dennoch kaum haben. In der Heimat hofft man darauf, dass Heidrich/Gerson so richtig heisslaufen, wie der Sand in Tokio. Oder das TV-Gerät in Gerlisberg.