Was ein Leichtathlet in seiner Freizeit macht? Na klar, mit Lego spielen! So pflegt es zumindest Karsten Warholm zu tun. Der energiegeladene Norweger baut zur emotionalen Entspannung gerne mit den Plastik-Steinen und dabei entstehen wahre Meisterwerke. «Das ist eine schöne Möglichkeit, Energie zu tanken und mich auf etwas zu konzentrieren, das mir Spass macht», erklärte Warholm sein Hobby.
Zu helfen scheint es ihm offenbar. Jedenfalls ist es unglaublich, was der 25-Jährige am Dienstagmittag Ortszeit bei grösster Hitze auf die Bahn in Tokio gezaubert hat. Er stiess mit der Verbesserung des eigenen Weltrekordes um 76 Hundertstel auf 45,94 Sekunden in eine Sphäre vor, die zu erreichen praktisch unmöglich schien. «Das ist so verrückt», sagte Warholm, der nach dem Zieleinlauf vor Freude sein Leibchen zerriss. «Das ist mit Abstand der grösste Moment meines Lebens.»
Das Erfolgsrezept? «Ich habe wie ein verdammter Wahnsinniger trainiert.» Sein Programm umfasst normalerweise am Montag, Mittwoch und Freitag «hochqualitative» Einheiten, die bis zu sieben Stunden dauern können. Diese beinhalten Sprints und Hürdenläufe, aber auch Kraft- und Sprungtraining. Am Dienstag, Donnerstag und Samstag sind die Einheiten kürzer, macht er beispielsweise ein Intervall-Training auf einem Laufband.
Du bist auch zu dick. Also nahmen wir beide ab, was bei beiden ziemlich gut geklappt hat.
Alnes als entscheidendes Puzzleteil
Training ist das eine, gerade so wichtig ist das psychische Wohlbefinden, um solche Leistungen abzurufen. Trainer Leif Olav Alnes ist deshalb ein entscheidendes Puzzleteil für den Erfolg. Als Warholm eine Veränderung brauchte, wurde ihm der 64-Jährige empfohlen. Zwar wollte der studierte Biomechaniker seine Trainerkarriere beenden, er liess sich jedoch auf die Zusammenarbeit mit Warholm ein. Das war 2015.
Sie seien ein «einzigartiges Team», sagte der frischgebackene Olympiasieger. Die beiden sind mehr als nur Trainer und Athlet, sie verbindet eine Freundschaft, was für Warholm ein Muss ist, wenn so viel Zeit miteinander verbracht wird. «Wir haben viel Spass zusammen und teilen den gleichen Humor. Es ist, als wären wir geistig gleich alt.»
Warholm schätzt an Alnes auch dessen Ehrlichkeit: «Wenn ich mein Potenzial nicht ausschöpfe, kann er sehr hart sein.» So sagte Alnes 2018 zu ihm, dass er zu dick sei. Darauf antwortete Warholm: «Du bist auch zu dick. Also nahmen wir beide ab, was bei beiden ziemlich gut geklappt hat.» Überhaupt erkannte Warholm die Wichtigkeit der Ernährung. Ein Jahr lang bereitete ein Experte all seine Mahlzeiten zu.
Das besondere Gefühl
Zu Beginn seiner Karriere war Warholm zunächst Mehrkämpfer und brachte es im Zehnkampf immerhin auf 7764 Punkte. 2016 konzentrierte er sich erstmals auf die 400 m Hürden, ein Jahr später wurde er bereits zum ersten Mal Weltmeister, was «für mich ein kompletter Durchbruch war». Die Fortsetzung ist bekannt.
Nun muss ich mir neue Ziele setzen.
«Ich hatte letzte Nacht Mühe einzuschlafen, weil ich dieses besondere Gefühl in meiner Brust hatte, vergleichbar mit jenem, das ich als Sechsjähriger an Heiligabend hatte, eines, von dem du glaubst, dass du es nie mehr haben wirst. Aber ich hatte es vergangene Nacht», sagte Warholm. Er war so fokussiert darauf, die letzte noch fehlende Goldmedaille in seinem beeindruckenden Palmarès zu holen. «Nun muss ich mir neue Ziel setzen. Ich glaube aber, dass ich noch nicht fertig bin.»