Userin Sarah R. vergibt gibt 5 Sterne an eine Umzugsfirma: «Das Unternehmen ist auf jeden Fall zu empfehlen.» User Tony T. bewertet einen Finanzdienstleister: «Ein grossartiger Helfer, um Ihre Probleme zu lösen.» Auch er vergibt fünf Sterne auf Google.
Auf den ersten Blick sehen diese Bewertungen ganz normal aus. Doch Recherchen von SRF Data zeigen : Die Bewertungen kommen nicht von echten Kund:innen. Die Profile gehören einem Anbieter von Fake-Rezensionen. In einer grossen Datenrecherche hat SRF Data Tausende Fake-Profile entdeckt, die bei hunderten von Firmen mutmasslich gekaufte Bewertungen hinterliessen.
Doch wie läuft das Geschäft mit den Fake-Rezensionen? Um das herauszufinden, machen wir ein Experiment: Wir erfinden eine Bar – den «Honigtopf». Die Adresse: Fernsehstrasse 1 in Oerlikon. Eine Bar, mitten auf dem Gelände von SRF? Ziemlich unwahrscheinlich. Trotzdem bemerkt Google nicht, dass es sich beim «Honigtopf» nicht um ein echtes Lokal handelt. Und das, obwohl Google behauptet, 85% aller gefälschten Orte zu erkennen , noch bevor sie auf Google Maps aufgeschaltet werden.
Um die ersten Fake-Rezensionen zu erhalten, erwecken wir den «Honigtopf» für ein paar Stunden zum Leben. Wir laden unsere Freunde ein und bitten sie, die Bar auf Google mit 5 Sternen zu bewerten.
Als nächstes versuchen wir, Bewertungen zu kaufen. Sucht man auf Google nach «Bewertungen kaufen Google» finden sich viele Seiten, die gefälschte Rezensionen anbieten. Zehn Bewertungen für 95 Euro, zum Beispiel. Wir wählen einen Anbieter, der angibt, in Österreich zu sitzen. Später stellt sich heraus, dass der Geschäftssitz eigentlich Offshore auf den Seychellen liegt und über ein Bankkonto in Litauen läuft. Wer genau dahintersteckt, bleibt unklar. Nach dem Kauf sollen wir angeben, wie die Rezensionen aussehen sollen. Laut den Anweisungen des Anbieters geht es dabei vor allem um «Insiderinformationen, welche auf Ihrer Homepage nicht auffindbar sind». Im Laufe der nächsten Wochen tauchen die gekauften Bewertungen auf Google Maps auf – der «Honigtopf» wirkt immer realer und hat ein glattes Fünf-Stern-Rating.
Gefälschte Bewertungen kaufen und damit Kund:innen täuschen, ist also ziemlich einfach. Die Masche wird von vielen Unternehmen genutzt: In ihrer Recherche stiessen die Journalisten von SRF Data auf über hundert Unternehmen in der Schweiz, die vermutlich Bewertungen gekauft haben. Der Kauf und Verkauf von falschen Rezensionen verstösst in der Schweiz gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Florent Thouvenin, Professor für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich, sagt: «Wenn Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund solcher gefälschten Bewertungen in die Irre geführt werden, ist das rechtlich unzulässig.»
Wir haben mit Unternehmen gesprochen, die gemäss unseren Recherchen Bewertungen gekauft haben. Wir wollten erfahren, warum sie dies taten: Viele wollten ihr Rating verbessern, andere behaupten, sie hätten von der Konkurrenz schlechte Bewertungen bekommen und wollten diesen entgegenwirken. Und andere sagten, sie hätten die Rezensionen aus Frustration darüber gekauft, dass sie auf den ersten Seiten von Google nicht angezeigt wurden.
Bis zum Ende unseres Experiments wurden auf der Seite des «Honigtopfs» insgesamt 15 Fünf-Sterne-Bewertungen angezeigt: Sechs von unseren Freunden und neun gekaufte. Mit einem reinen Fünf-Sterne-Rating war die Bar besser bewertet als alle anderen Lokale in der Umgebung.
Google wollte sich zu unserem Experiment nicht äussern. Ein Sprecher sagt: «Wir investieren erheblich in die Bereitstellung zuverlässiger Informationen. Wir überprüfen Beiträge genauestens und rund um die Uhr auf betrügerische Bewertungen, dies basierend auf unseren Richtlinien. Dafür setzen wir auf eine Kombination aus Mensch und Technologie. Wenn wir feststellen, dass Menschen in die Irre geführt werden, ergreifen wir umgehend Massnahmen – von der Entfernung von Inhalten bis hin zur Löschung des Google-Kontos.» Beim «Honigtopf» geschah dies nicht. Und auch die Tausenden Fake-Profile, die die Journalisten von SRF Data in ihrer Recherche ermittelt haben, wurden von Google offenbar nicht entdeckt.