Schon als Kind interessiert sich Sonia Seneviratne für Wissenschaft. Besonders das All gefällt ihr, sie denkt ernsthaft darüber nach, ferne Planeten zu untersuchen. «Aber dann habe ich gemerkt, dass es eine gewisse Dringlichkeit gibt, die Erde zu studieren», sagt Seneviratne.
Sie entscheidet sich für Biologie an der Universität Lausanne. Nach zwei Jahren wechselt sie an die ETH Zürich und in die Umweltphysik. Sie kombiniert zwei Welten und findet irgendwo dazwischen ihre Nische: die Beziehung zwischen Pflanzen und Klima. Um die besser zu verstehen, schaut die junge Forscherin in den Boden – sie ist damals die Einzige, die ausgerechnet dorthin schaut.
Bodenfeuchte ist damals ein blinder Fleck, «ein Nebenthema», wie Seneviratne es nennt. «Einer der Gründe ist, dass Klimaforscher traditionell nur Physik machen, und weniger Gespür haben für Biologie», sagt Seneviratne. Hydrologen wiederum messen lieber Niederschlag als die Feuchtigkeit im Boden, das ist sichtbarer und einfacher.
Hitzesommer ändert alles
Seneviratne bricht mit Gewohnheiten, sucht Neuland. Ein wichtiger Grund, warum das Thema erst kaum jemanden interessiert: Trockene Böden sind Anfang der 00er-Jahre in Europa und der Schweiz kein grosses Problem. Der Hitzesommer 2003 aber, das Jahr, in dem die Forscherin ihre Doktorarbeit zu Dürren und Hitzewellen fertig schreibt, ändert das. Bodenfeuchte wird schlagartig als relevant und dringlich erkannt.
In den folgenden Jahren zeigt die Forscherin in Studien auf, wie trockene Böden Hitzewellen antreiben. Sie vergleicht es mit einem Hitzeschlag beim Menschen: Wenn kein Wasser mehr verdunsten kann – der Boden nicht mehr schwitzen kann, weil er schon ganz trocken ist – dann wird es richtig heiss.
Die Klimaforscherin baut 2008 ein erstes landesweites Messnetz für Bodenfeuchte auf. Und sie appelliert über Jahre immer wieder an die Politik, ein nationales Warnsystem für Trockenheit einzurichten. Im Mai 2025 geht das System live.
Das freue sie sehr, denn anfänglich dachten viele, das sei zwar interessant, aber wohl nicht sehr nützlich. «Doch wir konnten zeigen, dass es extrem nützlich ist».
Sonia Seneviratne gehört zu den renommiertesten Klimaforschenden. Fachkolleginnen und -kollegen beschreiben sie als brillant oder genial. Die Forscherin selbst wählt andere Worte: kreativ, sachlich. Sie sei von Neugier geleitet, und von dem, was sie wichtig finde.
Forschende müssen Klartext reden
Selbstverständlich ist für sie auch, Klartext zu reden. Ein Beispiel dafür ist eine aktuelle Nature-Studie. Sie zeigt, dass die 180 grössten Produzenten von fossilen Brennstoffen und Zement wesentlich dazu beigetragen haben, dass Hitzewellen heute intensiver und wahrscheinlicher sind. Die Verursacher nennt sie beim Namen: ExxonMobil, Gazprom, Shell und so weiter.
Für mich ist es einfach wichtig, dass man die Wahrheit vermittelt.
«Vielleicht traue ich mich mehr als andere Forschende, das so zu sagen», so Seneviratne. Angst vor den Firmen habe sie keine. «Für mich ist es einfach wichtig, dass man die Wahrheit vermittelt».
Handeln sei dringend – und es gehe zu langsam, wir seien nicht auf Kurs. Aber sie bleibt positiv: Eine Reise von 1000 Schritten beginne mit einem Schritt. Man müsse einfach den ersten Schritt gehen und irgendwann komme man ans Ziel.