Üppiger weisser Bart, rot glänzender Mantel und freundlicher Blick – der in bunte Aluminiumfolie gewickelte Schoggi-Samichlaus füllt jedes Jahr zur Weihnachtszeit die Regale des Detailhandels. Doch er muss nicht nur gut aussehen, sondern vor allem auch gut schmecken.
Wer genüsslich in den schön geformten Hohlkörper beisst, lässt sich die Schokolade meist ganz bewusst auf der Zunge zergehen. Damit sie bei der richtigen Temperatur im Mund dahinschmilzt, heisst das Zauberwort: Beta-5-Fettkristalle. Sie sorgen für Glanz, Knack und den idealen Schmelz bei 30 bis 34 Grad Celsius.
Samichläuse, Tannenzapfen und Co.
Zu Weihnachten gehört Schokolade für viele Menschen dazu wie die Lichter am Tannenbaum. Allein in der Schweiz werden jedes Jahr gemäss dem Branchenverband Chocosuisse mehrere Millionen Samichläuse verkauft.
Aber auch andere saisonale Schokoladenprodukte wie Rentiere, Engel, Wichtel oder etwa Tannenzapfen werden speziell für diese Zeit hergestellt. Im Vorjahr wurden in der Schweiz ausschliesslich für den Inlandmarkt rund 1900 Tonnen Weihnachtsartikel aus Schokolade verkauft – entweder als Hohlform oder als Baumschmuck.
Die Schweiz gilt als Schokoladenland. Sie zählt zu den Weltmeistern des Schokoladenkonsums mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von umgerechnet 106 Tafeln im Jahr 2024. Doch die Schokoladenwelt kommt zunehmend unter Druck. Denn die Weltmarktpreise für Kakaobohnen haben sich seit 2022 vervielfacht und sind grossen Schwankungen ausgesetzt.
Grund sind massive Ernteausfälle etwa in Westafrika aufgrund diverser Extremwetterereignisse, des hohen Alters vieler Kakaobäume und Schädlingsbefall. «Solche Entwicklungen stehen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und belasten zunehmend die weltweite Verfügbarkeit von Kakao», erklärt Lydia Toth von Chocosuisse. Dadurch werde die Schokolade letztlich auch teurer.
Seit einigen Jahren arbeiten viele Fachleute unter anderem wegen der Knappheit der Kakaobohnen intensiv an Alternativen zur herkömmlichen Schokoladenherstellung. Sie gehen neue Wege, um nachhaltigere Schoggi herzustellen. So haben ETH-Forschende um Kim Mishra letztes Jahr eine Schokolade entwickelt, die einen geringeren ökologischen Fussabdruck hat.
Bei dem neuen Verfahren der ETH kommt nicht nur die Bohne zum Einsatz, sondern auch das Fruchtfleisch und die Fruchtschale. «Wir verarbeiteten beides zusammen mit der Pulpe zu einem Gelee», sagt der Zürcher Lebensmitteltechnologe und Hauptautor der Studie in der Fachzeitschrift «Nature Food».
Gesünder und nachhaltiger
Weil das so hergestellte Gelee sehr süss ist, ersetzt es einen Teil des normalerweise zugefügten Kristallzuckers. Auf diese Weise können mehr wertvolle Inhaltsstoffe der Kakaofrucht genutzt und die Wertschöpfung des Kakaoanbaus erhöht werden. Hinzu kommt, dass die Kakaofruchtschokolade mehr Nahrungsfasern und weniger ungesunde gesättigte Fettsäuren hat.
Für diese innovative Rezeptur der zusätzlichen Verwendung der Fruchtschale sicherte sich die ETH Zürich 2024 ein Patent. Doch bis zur Produktion im grossen Stil fehle noch die passende Infrastruktur, ergänzt Kim Mishra. Vom Geschmack her sei ihre Schokolade im Vergleich zu gewöhnlicher Schokolade etwas fruchtiger, aber ansonsten sehr ähnlich.
Geschenk der Götter – die faszinierende Geschichte der Schokolade
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Bild 1 von 8. 3500 bis 3300 vor Christus. Kakao ist viel älter als gedacht. Dies berichtet eine Studie von 2024 in der Fachzeitschrift «Scientific Reports» anhand archäologischer Funde. Mit zu den ältesten Belegen zählen heute Keramikgefässe aus dem Amazonasbecken in Ecuador und Kolumbien, in denen Reste von Kakao nachgewiesen wurden. Diese stammen aus der Zeit 3500 bis 3300 vor Christus. Bildquelle: IMAGO/imagebroker.
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Bild 2 von 8. 1150 vor Christus. Die Olmeken waren die Ersten, die in Mittelamerika Schokolade tranken. Der bislang älteste Nachweis von Kakao aus dieser Gegend wurde auf Tongefässen aus Honduras gefunden. Auf Scherben aus der Zeit um 1150 vor Christus konnten Forscher Theobromin nachweisen, eine Substanz, die in Mittelamerika nur in Kakao vorkommt. Bildquelle: IMAGO / United Archives / Theobroma Cacao.
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Bild 3 von 8. 300 nach Christus. Von den Maya existieren neben Wandzeichnungen und Schriften auch noch Gefässe, die zur Einnahme von Kakao benutzt wurden. Sie tranken Schokolade oder würzten Speisen damit. Bildquelle: Theobroma Cacao.
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Bild 4 von 8. 1200 nach Christus. Die Kultur der Azteken beginnt sich zu entwickeln. Das spätere aztekische Grossreich forderte von den beherrschten Gebieten Tribut in Form von Kakaobohnen. Die Herrscher der Azteken horteten davon riesige Mengen, die nicht nur als Genussmittel, sondern auch als Zahlungsmittel dienten und für Kulthandlungen benötigt wurden. Bildquelle: IMAGO / Album / Theobroma Cacao.
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Bild 5 von 8. 1502 nach Christus. Als erster Europäer traf Christoph Kolumbus auf seiner vierten Reise im Jahr 1502 nach Christus auf Kakao. Mangels eines Dolmetschers verstand er aber nicht, warum die Bohnen für die Eingeborenen so wichtig waren. Schokolade hatte er selbst nie probiert. Bildquelle: IMAGO / Album / Theobroma Cacao.
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Bild 6 von 8. 1521 nach Christus. Hernán Cortés siegte 1521 gegen die Azteken. Bald darauf erkannten die Spanier, welche Bedeutung der Kakao für die Maya und die Azteken hatte. Das bittere Getränk mochten sie zunächst nicht. Erst die Idee, es mit Zucker zu süssen, ermöglichte den grossen Durchbruch und schliesslich die Verbreitung in Europa und anderswo. Bildquelle: IMAGO / Album / Theobroma Cacao.
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Bild 7 von 8. 1819 Chocolatier Cailler. Der Chocolatier François-Louis Cailler hat bereits 1819 in der Nähe von Vevey eine der ersten mechanisierten Schokoladenmanufakturen eröffnet. Und seinem Schwiegersohn Daniel Peter ist es 1875 als Erstem gelungen, Kakao, Zucker und Kondensmilch erfolgreich zu kombinieren und die Milchschokolade zu erfinden. Bildquelle: KEYSTONE / Cyril Zingaro.
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Bild 8 von 8. 1879 Chocolatier Lindt. Der Berner Rodolphe Lindt entwickelte 1879 die sogenannte Conche. In dieser speziellen Rührmaschine bewegen sich Walzen über einem flachen, länglichen Becken ständig vor und zurück, sodass die flüssige Schokolade mechanisch stark bearbeitet wird und später eine sehr feincremige Konsistenz erhält. Zuvor war das Produkt eher krümelig und fast mehlig. Bildquelle: IMAGO / Pond5 Images.
Die edle Süssigkeit aus der Bohne besteht aus einem ganzen Bouquet von Aromen in verschiedenen Konzentrationen – von fruchtig, würzig, blumig, manchmal erdig bis fäkal. Weltweit sind bisher 600 flüchtige Verbindungen identifiziert worden, die in Schokolade und Kakao vorkommen können. «Aber nur ein Bruchteil davon macht letztlich das typische Aroma aus», sagt Lebensmittelchemikerin Irene Chetschik von der ZHAW.
Je nach Art und Dauer der Fermentation und Trocknung der geernteten Kakaobohnen kann das Ergebnis immer etwas anders ausfallen. «Wir haben auch schon den Geruch nach Pferdeschweiss, Käse oder Rauch identifiziert», ergänzt Chetschik. Doch viele solcher zumeist eher unerwünschter Gerüche kommen aufgrund ihrer geringen Dosis gar nicht zur Geltung – ähnlich wie beim Duft eines Parfüms.
Würden bestimmte Aromen jedoch fehlen, stimmt etwas nicht. Es ist ein komplexes Zusammenspiel vieler chemischer Komponenten, damit es am Schluss auch harmonisch ist.
Kakao aus dem Bioreaktor
Da die Schokoladenwelt verstärkt auch aufgrund der Klimaveränderung gefährdet ist, verfolgt der Lebensmitteltechnologe Tilo Hühn von der ZHAW zusammen mit der Biotechnologin Regine Eibl noch einen ganz anderen Weg. Anstatt die Kakaofrucht auf dem Feld zu ernten, lässt er sie im Labor heranreifen. Inzwischen sind mehrere Start-ups daran, diese Idee zur Marktreife zu bringen.
Damit dies gelingt, muss am Anfang eine echte Bohne einer Kakaofrucht zuerst zerschnitten und im Brutschrank für zwei Monate gelagert werden. «An der Schnittstelle bildet sich Schorf, ähnlich wie bei einer Wundheilung», sagt Hühn. Davon isolieren sie dann ein paar Zellen, die in einem Bioreaktor weiterwachsen.
Bisher sei die ganze Sache aber noch in der Entwicklungsphase und der Preis deshalb viel zu hoch, fügt er hinzu. Doch wenn sie die erste Fabrik gebaut hätten, sei die zellbasierte Labor-Schoggi nicht teurer als heutige Superpremiumprodukte und koste vielleicht 25 Franken pro 100 Gramm. Allerdings werde es für Europa noch mindestens fünf Jahre dauern, bis es hier überhaupt eine Zulassung für ein solches Novel-Food-Produkt geben würde.
Schoggi wie aus Hogwarts?
An der ETH Zürich arbeiten Fachleute derweil auch an einer anderen innovativen Schokolade, bei der jeder Bissen theoretisch einen anderen Geschmack hätte. Dazu setzen sie auf die Oberfläche einzelne Geschmackstropfen unter anderem mit einer Art Tintenstrahldrucker für Lebensmittel. «Für einen Harry-Potter-Release könnten wir Schokolade wie aus Hogwarts mit magischen Geschmackserlebnissen herstellen», sagt Kim Mishra scherzend.
Doch ihr Ziel sei vielmehr, mit dieser Methode beispielsweise die Wahrnehmung der Süsse zu beeinflussen und dadurch den Gesamtzuckergehalt der Schokolade zu reduzieren, ergänzt Mishra. Sie könnten aber auch gezielt Haselnussgeschmack in einer extrem geringen Dosis, aber mit einer grossen Wirkung hinzufügen.
Mit Hightech und cleveren Tricks lässt sich der Geschmack der geschichtsträchtigen Kakaoprodukte immer weiter verfeinern. Wichtig ist aber vor allem, dass die Schoggi nicht zu lange aufbewahrt wird. Denn mit der Zeit tritt aufgrund der Umwandlung der Beta-5-Fettkristalle ein heller Schleier auf der Schokolade auf. Und auch der kultige Samichlaus bekommt irgendwann die typischen «weissen Altersflecken».