Der Dezember ist ein Monat voller Rituale: Chlausentag, vier Adventssonntage, Weihnachten und Silvester. Nicht alle aber mögen diese Rituale. Für viele sind sie mit Stress und Streitigkeiten verbunden – gerade Weihnachten. Es gibt aber auch Alltagsrituale, die uns heute oft mehr helfen als religiöse Rituale.
Wir brauchen Rituale, weil sie uns Sicherheit, Orientierung und Geborgenheit geben.
Von der Gute-Nacht-Geschichte, über das regelmässige Treffen mit Freunden im immer gleichen Restaurant, bis hin zu Weihnachten – unser Alltag ist voller Rituale. Und das ist gut so, sagt die Psychologin und Psychotherapeutin Sandra Figlioli-Hofstetter: «Wir brauchen Rituale, weil sie uns Sicherheit, Orientierung und Geborgenheit geben.»
Rituale sind berechenbar – die Familie nicht
Das Gute an Ritualen ist, dass sie immer gleich ablaufen und man weiss, was auf einen zukommt. Entsprechend kann man sich auch darauf freuen. Auch wenn an Weihnachten der Haussegen manchmal schief hängt. «Das liegt aber nicht an Weihnachten, also am Ritual, sondern an der Familie», sagt die Psychologin und Psychotherapeutin.
Kommt die Familie zusammen, trifft man auf Verwandte, die man das Jahr über nicht sieht und es kommen Themen zur Diskussion, die nur bei dieser Familienkonstellation zu Missstimmungen führen.
Tipps für friedliche Familienfeiern
«Entweder arbeitet man an sich, oder am Ritual», schlägt die Psychologin vor. «Es braucht halt ein bisschen Mut, Rituale zu verändern.» Statt dreimal Weihnachten feiern, entschliesst man sich, nur an einer Feier teilzunehmen. Statt stundenlang in der Küche zu stehen und dann beim Servieren des Festessens auch gleich schlechte Stimmung zu verbreiten, reichen Wienerli und Kartoffelsalat als Weihnachtsmenu.
Rituale im Alltag
Viel wichtiger als das Weihnachtsritual findet Figlioli-Hofstetter Rituale im Alltag. «Diese geben Orientierung», besonders Rituale, welche man als Paar pflege. «Paare, die schon lange zusammen sind, haben vielleicht keine Rituale mehr», weiss die Psychotherapeutin aus ihrer Praxis. Sie empfiehlt, sich einmal pro Woche als Paar zu verabreden. Für ein solches Date lässt sich das Paar abwechslungsweise etwas einfallen: Ein spezielles Menu kochen, ins Kino gehen, einen Spaziergang machen oder eine neue Sportart ausprobieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Sprechen und Zuhören als Ritual
Ein nicht auf Anhieb einfaches Ritual ist das Paarzwiegespräch. Dieses pflegt Figlioli-Hofstetter auch mit ihrem Mann. Sie verabredet sich einmal pro Woche mit ihm zum Gespräch. Die Spielregeln sind einfach: Jeder und jede bekommt fünf Minuten, in welchen er oder sie sprechen darf, ohne unterbrochen zu werden.
«Einmal nur schweigen und zuhören oder einfach mal sprechen können, ohne unterbrochen zu werden, ist herausfordernd, aber sehr interessant.» Und wenn beide fünf Minuten gesprochen bzw. zugehört haben? «Dann kann man in eine zweite oder eine dritte Runde gehen.» Auch bei ihren Klientinnen und Klienten kommt das Paarzwiegespräch gut an. «Gerade, weil wir alle die Tendenz haben, unsere Gesprächspartner zu unterbrechen», sagt die Therapeutin.
Rituale tun auch Freundschaften gut
«Das kann ein regelmässiges Mittagessen im immer gleichen Lokal sein», schlägt Figlioli-Hofstetter vor. Oder man verreist einmal pro Jahr für ein Wochenende zusammen. Gerade hier zeigt sich: Der immer gleiche Ablauf und die Vorfreude tragen zum Gelingen solcher Rituale bei.