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US-Wissenschaftspolitik Was Trumps Angriff auf die US-Wissenschaft bedeutet

In seiner zweiten Amtszeit greift Donald Trump die Wissenschaft im eigenen Land massiv an. Mit Drohungen und Geldentzug setzt er Forschende und Institutionen unter Druck. Wir fragen nach sechs Monaten Trump 2.0: Wie tief greift die Krise? Und was führt wieder raus?

Holden Thorp fällt mir im Frühjahr 2025 auf, weil er Donald Trumps Entscheide in der Wissenschaftspolitik laut, hart und ausdauernd kritisiert: in Editorials, Sozialen Medien, Podcasts, auf seinem Blog. Er ist Chefredaktor von «Science», einem der weltweit wichtigsten Wissenschaftsjournale, mit Sitz in Washington DC. Auf die Frage, warum er Trump so hart angeht, lacht er und sagt: «Ich habe auch Biden scharf kritisiert, wenn es nötig war. Mir ist egal, wer an der Macht ist.»

Grosse Universitäten unter Druck 

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Jim Ryan, der Präsident der Universität von Virginia sieht Ende Juni keine anderen Weg mehr und tritt zurück. Dem vorausgegangen ist eine zähe Auseinandersetzung mit der Trump-Administration um die Förderung von Minderheiten, die die Universität streichen sollte.

Die Universität Harvard liegt nach wie vor im Rechtsstreit mit der US-Regierung. Eine Einigung scheint sich anzubahnen, wird aber kontrovers diskutiert.

Die Columbia-Universität in New York hat vergangene Woche einem umstrittenen Kompromiss zugestimmt, verändert intern Regeln und schafft neue Gremien, um staatliche Förderung nicht zu verlieren.

Als «Science»-Chefredaktor kann der Chemiker, der lange an Universitäten geforscht und gewirkt hat, relativ frei sprechen. Thorp nutzt das, weil aktiv Forschende Konsequenzen fürchten, wenn sie sich exponieren, und auch starke Universitäten wie Harvard oder Columbia unter immensem Druck stehen.

Wir verlieren eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Autor: Holden Thorp Chefredaktor von «Science»

«Ich überlege mir, was ich hier und heute tun kann, und tue das», sagt er. Thorp reist viel durchs Land. Die Angst vor unberechenbaren Eingriffen der Regierung sei gross, die Verunsicherung riesig. Und: «Wir verlieren eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, weil, wer jetzt jung ist, gar nicht erst in die Forschung einsteigt.»  

Staatliche Forschungsförderung hat in den USA Tradition

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Während des Zweiten Weltkriegs arbeiten Forscher in den USA am Bau der Atombombe. Dieses sogenannte «Manhattan-Projekt» bekommt reichlich staatliche Förderung. Es ist das erste Mal in der US-Geschichte, dass Forschung so gefördert wird, in dem Fall mit dem Ziel, den Krieg zu gewinnen.

Nach Kriegsende wurde diese Art der Förderung verstetigt, ihre Ziele wurden erweitert. Wegweisend dafür war der Bericht «Science: The Endless Frontier» von Vannevar Bush an US-Präsident Truman. Darin skizziert er wie Wissenschaft durch Medizin, Bildung, Innovation und Wachstum die USA reich und stark machen würde.

Verantwortung sieht Thorp auch bei der Wissenschaftscommunity. Der soziale Vertrag zwischen Wissenschaft und US-Bevölkerung, den es seit dem Zweiten Weltkrieg gibt, sei brüchig geworden: «Es gibt einen ‹disconnect› - einen tiefen Graben - zwischen uns und dem Rest Amerikas. Das ist schon lange so. Und es ist an uns, das zu überwinden.»

Tiefe Gräben zwischen Wissenschaft und Bevölkerung

Thorps Analyse passt zu jener von Mike Osterholm. Der Epidemiologe an der Universität von Minnesota setzt sich seit Jahrzehnten für Impfungen ein, ist von ihrem Nutzen überzeugt, und beobachtet nun, wie Zweifel an Impfungen weltweit zunehmen: «Wir müssen zugeben, dass wir das nicht verstehen.»  

Er verweist auf einen Masernausbruch Anfang Jahr in West-Texas mit gut 700 gezählten Infektionen, bei dem zwei Kinder sterben. «Manche Eltern wollten ihre Kinder auch mitten im Ausbruch nicht impfen. Wir haben viel zu tun, um daraus schlau zu werden, und dann müssen wir eine gute Antwort darauf finden.»

Klar sei auch, mit sinkenden Impfraten werden sich Masern und andere Infektionskrankheiten ausbreiten. Osterholm: «Es wird schlimmer werden. Das ist keine Theorie mehr, es passiert längst.» Abzuschätzen, wie schnell neue Ausbrüche wie heftig werden können, sei die nächste grosse Aufgabe. Und: «Wie wir das vermitteln, wird entscheidend sein.»

Historische Parallelen: Trump und McCarthy

Die Frage, ob die jetzige Situation neu ist oder altbekannt, kann der Historiker Clay Risen beantworten. Der New-York-Times-Journalist sagt: «Das hatten wir alles schon, etwa in der McCarthy-Ära Ende der 1940er bis Mitte der 1950er». Gewisse Verschwörungstheorien und Misstrauen gegenüber Staat und Eliten werden immer wieder in der US-Geschichte dominant, sagt er: «Das scheint zu uns zu gehören.»

Die McCarthy-Zeit – «The Red Scare»

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Joseph McCarthy zeigt auf einer USA-Karte so die kommunstische Partei aktiv sei
Legende: IMAGO / Everett Collection

Ende der 1940er in den USA: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, der Kalte Krieg umso heisser. Die Bedrohung aus Moskau, aus der UdSSR ist real, der Koreakrieg bahnt sich an und bricht aus. Viele Menschen misstrauen nun Kommunisten im eigenen Land und fürchten Sowjet-Spione.

Joseph McCarthy setzt sich an die Spitze dieser Furchtwelle und verfolgt als US-Senator über Jahre mit aller Härte Menschen, die Kommunisten waren, oder die er für Kommunisten hielt. Er war nicht der Einzige, aber seine Bemühungen machten Schlagzeilen. Viele verloren in dieser Zeit ihre Jobs oder wurden angeklagt, weil sie sich politisch «unamerikanisch» verhalten hätten.

Ab Herbst 1953 wurde zunehmend deutlich, dass McCarthy seine Anschuldigungen teils frei erfunden hatte. Es gab eine Wende in der öffentlichen Debatte, und der US-Senator verlor Ende 1954 seinen Einfluss.

Der Historiker Clay Risen hat über diese Zeit ein Buch geschrieben: «Red Scare. Blacklists, McCarthyism, and the Making of Modern America»

Für den Moment rät «Science»-Chefredaktor Holden Thorp seinen Forscherkollegen und -kolleginnen: «Ruhig bleiben, weitermachen. Solange Du ein Labor hast, und morgen darin arbeiten kannst, mach das. Ich hoffe, dass Du übermorgen auch noch da bist.»

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Weiterführende Links

Wissenschaftsmagazin, 26.7.2025, 12:40 Uhr

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