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Alter ist kein Schutz vor Sucht

Jeder fünfte Mann ist beim Eintritt ins Altersheim alkoholkrank, und jede vierte Frau im Pensionsalter schluckt täglich Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Senioren sind damit bald die grösste Gruppe Süchtiger.

Von jugendlichen Komasäufern ist regelmässig die Rede – nicht zuletzt, weil sie sich für alle sichtbar im Ausgang betrinken. Anders sieht es dagegen bei älteren Menschen aus: «Einer nach dem anderen stirbt, die Einsamkeit kommt dazu und dass man so allein in der grossen Wohnung sitzt. Niemand kontrolliert einen, man hat also Freiheit zur Genüge und kann tun und lassen, was man will», berichtet eine 70jährige Alkoholikerin, die derzeit ihren Entzug in der Psychiatrie Wil macht. «Ich habe gedacht: Jetzt, mit 70, hast du das im Griff.» Doch nach und nach ist auch ihr die Kontrolle über ihren Alkoholkonsum entglitten. Nun ist sie trocken, die Motivation sind «die Grosskinder».

Richtlinien zum Alkoholkonsum

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Erwachsene Männer sollten nicht mehr als zwei Standardgetränke pro Tag trinken, Frauen nur die Hälfte. Ein Standardgetränk sind etwa 3 dl Bier, 1 dl Wein, 2 cl Schnaps.

Wie ihr entgeht es vielen Älteren. Oft wird ihr Problem erst im Krankenhaus offensichtlich, wenn sie wegen eines ganz anderen Leidens eingeliefert werden. Dann kann die Patientin mit gebrochenem Bein plötzlich nachts ohne Schlafmittel nicht mehr einschlafen oder der ältere Herzpatient merkt, dass er ohne «sein Gläschen am Abend» nicht mehr auskommt.

Nur wenige Entzugsangebote

Auch wenn Senioren bald zur Altersgruppe gehören, in der Süchte am weitesten verbreitet sind: Entzugsangebote sind spärlich. Für jüngere Suchtkranke gibt es dreimal so viele Angebote. Hinzu kommt: In vielen Kliniken sind nicht nur die anderen Patienten deutlich jünger, auch die Therapeuten könnten gut und gerne die Kinder der Patienten sein. In der Therapie ergibt sich so eine schwierige Rollenverteilung: Patienten verhalten sich wie Vater oder Mutter und der Therapeut rutscht in die Kinderrolle, die Zügel der Therapie entgleiten ihm.

Suchthilfe im Internet

Um auch Menschen gehobenen Alters und deren Umfeld für die Suchtproblematik zu sensiblisieren, wurde jetzt die Internetseite www.alterundsucht.ch lanciert. Sie wurde in Kooperation der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht Infodrog, Sucht Schweiz, der Forel Klinik und der Zürcher Fachstelle zur Prävention des Alkohol- und Medikamenten-Missbrauchs (ZüFAM) erarbeitet.

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Auf der Website finden ältere Menschen und deren Angehörige auch Informationen über die Veränderungen des Körpers im Alter und zu deren Bedeutung für den Konsum von Alkohol. Weil der Wasseranteil im Körper mit dem Alter abnimmt, ist mit der gleichen Menge Alkohol die Konzentration von Alkohol im Blut höher. Die Leber baut den Alkohol darüber hinaus langsamer ab. Weil der Körper also mit Alkohol schlechter umgehen kann, wird Trinken umso schneller zur Sucht.

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